ZusammenfassungDas Konzept der Kreislaufwirtschaft befindet sich seit 2015 als einer der wichtigsten Punkte auf der europäischen Agenda. Infolgedessen wurde auch die Forschung zur Rolle von Unternehmen in der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft in den letzten Jahren erheblich intensiviert. Bislang wird die wissenschaftliche Literatur jedoch von konzeptionellen Arbeiten dominiert und die verfügbare empirische Forschung besteht hauptsächlich aus Einzel- oder Mehrfachfallstudien. Empirische Studien, die auf größeren Stichproben beruhen, sind selten und bisher hat keine Studie den Stand der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in österreichischen Unternehmen zum Gegenstand gehabt. Diese Forschungslücke wird durch die vorliegende Studie geschlossen, die die Ergebnisse von Telefoninterviews mit 120 GeschäftsführerInnen und 100 Nachhaltigkeitsverantwortlichen österreichischer Unternehmen darlegt. Der Fokus liegt dabei auf Unternehmen des produzierenden Gewerbes. Die Interviewfragen wurden aus der Literatur abgeleitet und bauen auf etablierten Konzepten wie den 10-Rs oder dem ReSOLVE Framework auf. Die Ergebnisse geben erstens Aufschluss über die strategische Kreislaufwirtschaftsorientierung österreichischer Unternehmen, indem sie detailliert aufzeigen, inwieweit Überlegungen zur Kreislaufwirtschaft in Unternehmensstrategien, Innovationen, Humankapital und Geschäftsführung integriert sind. Zweitens wird der Grad der Umsetzung von 26 spezifischen kreislaufwirtschafts- und nachhaltigkeitsorientierten Praktiken dargestellt. Diese Praktiken decken eine vollständige Lebenszyklusperspektive ab und umfassen Interventionen in verschiedenen Unternehmensbereichen. So wird beispielsweise dargestellt, inwieweit sich Unternehmen für ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement engagieren, ihr Produktdesign ändern (z. B. Design für Recycling/Wiederverwendung/Reparatur, …), ihre Produktion optimieren (z. B. Verwendung von Rezyklaten, Schließung interner Ressourcenkreisläufe, …), ihre Geschäftsmodelle ändern (z. B. durch Dematerialisierung oder den Verkauf von Nebenprodukten) oder Post-Consumer-Produkte wiederverwenden bzw. rezyklieren. Drittens wird aufgezeigt, wie CEOs die Auswirkungen der Umsetzung dieser Strategien auf die finanzielle und nachhaltige Gesamtleistung ihrer Unternehmen bewerten. Abschließend wird dargestellt, wie die CEOs die Bereitschaft des österreichischen Marktes für die Kreislaufwirtschaft einschätzen. Dazu wird aufgezeigt, wie die Befragten den Wettbewerbsdruck, die technologischen Entwicklungen und die Nachfrage nach zirkulären Produkten bewerten.Zusammenfassend zeigt die Studie, dass die Einführung von Kreislaufwirtschaft in österreichischen Unternehmen immer noch in erster Linie auf Compliance und Effizienz ausgerichtet ist. Radikalere Veränderungen auf Produktebene, in der Produktion und vor allem in den Geschäftsmodellen sind selten. Diese und die anderen deskriptiven Erkenntnisse dieser Studie bieten PraktikerInnen und ForscherInnen eine umfassende Annäherung an den Reifegrad der Kreislaufwirtschaft in österreichischen Unternehmen aus verschiedenen Perspektiven. Damit kann sie als Grundlage für weitere Forschung und unternehmerisches Engagement bei der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft dienen – eine Voraussetzung für die Erschließung der vollen Potenziale einer Kreislaufwirtschaft in Österreich.