Die nematische Phase N eines lyotropen Flüssigkristalls (Lyotropic Liquid Crystal, LLC) besteht aus anisometrischen Amphiphil-Micellen, die von Lösungsmittel (meist Wasser) umgeben sind und eine Orientierungsfernordnung entlang des Direktors n aufweisen. Die Zugabe von chiralen Dotierstoffen führt ohne Schwellenkonzentration zur chiral-nematischen (cholesterischen) Phase N*, die eine helicale Über-struktur des Direktorfeldes (Abbildung 1) aufweist. Die Ganghöhe P dieser Helix kann im optischen Polarisationsmikroskop direkt aus dem periodischen Muster der "Fingerabdrucktextur" abgelesen werden. Die chirale Induktion in Flüssigkristallen (LCs) ist eine der empfindlichsten Methoden zum Nachweis von Chiralität.[1] Die einzigartigen Chiralitätseffekte in Flüssigkristallen wurden bereits intensiv untersucht, [2] so z. B. die molekularen Induktionsmechanismen in thermotropen LCs [3] sowie in einem selbstorganisierten zweidimensionalen Modellsystem. [4] Bei LLCs wird der Mechanismus der chiralen Induktion in der N*-Phase seit 20 Jahren diskutiert.[5-11] Zwei Mechanismen wurden vorgeschlagen: a) dispersive chirale Wechselwirkungen zwischen Dotierstoffmolekülen benachbarter Micellen (in diesem Fall sollte der Dotierstoff vorzugsweise an der Micelloberfläche sitzen) und b) sterische chirale Wechselwirkungen zwischen Dotierstoff und Amphiphil (hier sollten die Dotierstoffmoleküle in der Micelle solubilisiert sein).[6, 10, 11] Die Temperaturabhängigkeit der Ganghöhe P(T) sollte sich für beide Mechanismen unterscheiden: In Fall (a) steigt P linear mit T an, während in Fall (b) P proportional mit T À1 abnehmen sollte (siehe Hintergrundinformationen). In experimentellen Untersuchungen zum Mechanismus der chiralen Induktion wurden Messungen der Ganghöhe an diversen Gast-Wirt-Systemen durchgeführt [6,7] sowie Röntgen-beugungsexperimente, [8] wobei durch letztere keine verformten Micellen nachgewiesen werden konnten. Die Ganghöhe ist von der chemischen Zusammensetzung der Wirtphase, der Temperatur, der Dotierstoffkonzentration und besonders von der chemischen Natur des Dotierstoffes abhängig.[6] Bisher konnte für LLCs kein allgemeiner Zusammenhang zwischen den Eigenschaften eines chiralen Dotierstoffes und seinem Vermögen zur chiralen Induktion in einer Wirtphase hergestellt werden. Dagegen gibt es hierfür bei thermotropen LCs molekulare Konzepte (siehe z. B. Lit. [1,12]), die -wie wir später diskutieren werden -auch für LLCs von Bedeutung sind.Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen postulierten Mechanismen ist die Frage, wo der Dotierstoff in der N*-Phase lokalisiert ist, ein wichtiger Diskussionsgegenstand. Es wurde vorgeschlagen, dass die Lokalisation des Dotierstoffes -im Inneren des unpolaren Kerns der Micelle oder an der Micelloberfläche -einen großen Einfluss auf das Vermögen zur chiralen Induktion hat. [6,13] Bisher ist es allerdings noch nicht gelungen, die Lokalisation des Dotierstoffes experimentell zu bestimmen.Erst kürzlich wurde die Magnetresonanzmethode Avoided-Level-Crossing-Myonenspinresonanz (ALC-mSR), die Do...