ZusammenfassungAusgehend von der Beobachtung, dass die Rache heute von der Philosophie entweder ganz ignoriert oder mit ihren exzessiv gewalttätigen Formen gleichgesetzt und moralisch verurteilt wird, möchte der Beitrag ein differenzierteres Bild der Rache skizzieren. Dabei wird auch die Vorstellung kritisiert, Rache und Verzeihen seien in der sozialen Realität einander ausschließende Gegensätze. Im ersten Teil wende ich mich, ausgehend von verschiedenen neueren philosophischen Arbeiten, gegen ein essentialistisches und idealisiertes Verständnis des Verzeihens. Ich plädiere dafür, bei der Bewertung von Verzeihen und Rache auch ihre jeweilige Rolle mit Blick auf die Aufrechterhaltung oder Ausgleichung ungleicher Machtverhältnisse und ihre Funktion für die Selbstermächtigung von Opfern von Übergriffen und die Wiederherstellung ihrer Selbstachtung zu berücksichtigen. Im letzten Teil zeige ich an drei Beispielen, dass ein Prozess der moralischen Reparatur nicht selten kleine Racheelemente integrieren muss, um das Verzeihen zu ermöglichen.