Zusammenfassung
X-chromosomale Intelligenzminderung („X-linked intellectual disability“, XLID) ist eine heterogene Krankheitsgruppe; inzwischen sind mehr als 100 XLID-Gene identifiziert worden. Das Fragile-X-Syndrom mit CGG-Repeatexpansion in der 5’-UTR des FMR1-Gens ist die häufigste monogene Ursache für Intelligenzminderung. Weitere X‑chromosomale Gene mit vergleichsweise hohen Mutationsprävalenzen sind ATRX, RPS6KA3, GPC3, SLC16A2, SLC6A8 und ARX. Die Ursachen für XLID verteilen sich zu ca. 90 % auf molekulargenetisch nachweisbare Mutationen und zu ca. 10 % auf chromosomale Kopienzahlvarianten („copy-number variants“, CNVs). Häufige CNVs sind Duplikationen in Xq28 unter Einschluss von MECP2 sowie das Xp11.22-Duplikations-Syndrom mit Überexpression von HUWE1. Mit den aktuellen Untersuchungsmethoden kann bei ca. 10 % der männlichen Patienten mit Intelligenzminderung eine X‑chromosomale Ursache nachgewiesen werden. Neue Erkenntnisse zu XLID sind für die nächsten Jahre am ehesten in den nicht kodierenden Regionen zu erwarten, wo wahrscheinlich ein weiterer Teil der Ursachen für das bislang nicht vollständig erklärte Überwiegen männlicher Patienten zu suchen ist.