Urbaniok und Kollegen [1] sehen recht: mit Dogmatismen ist auch auf diesem Gebiet nichts auszurichten. Die Stärke ihres Ar− tikels liegt in der kriminalpsychologischen Empirie. Totaldeterminismus war seit der hellenischen Antike, die doch die Natur als sich selbst organisierendes Werden entdeckt hat [2], keine Theorie der Naturforscher, sondern ein theologisches Dogma, und zwar der apokalyptischen Richtung seit dem Daniel− Buch. Ein allmächtiger Gott, der etwas will, setzt es auch gegen Zufälle durch: der theologische ist der härteste Determinismus, wie Nicolai Hartmann [3] gezeigt hat. Im Mittelalter verteidigten die Franziskaner, voran Olivi [4], die Willensfreiheit gegen den Determinismus der islamisch missverstandenen Aristotelesre− zeption. In der Aufklärung war Newton ein Apokalyptiker [5], und Kant wusste sich gegen diese Tradition nur durch eine Zwei− weltenlehre zu verteidigen: mundus intelligibilis gegen mundus sensibilis [6]. Max Planck [7], der das Tor für die wirkliche Welt und ihre Zufäl− le wieder öffnete und doch ein Mann der alten Physik blieb, meinte: von außen gesehen sind wir unfrei, von innen frei. In Wirklichkeit stimmen aber äußere und innere Freiheit gewöhn− lich überein, solange unsere Selbstkritik nicht durch Intoxikation oder Hirnläsion gemindert ist; wir bemerken nicht nur die Schwankungen unserer Freiheit (z. B. in Abhängigkeit von Mü− digkeit), sondern wir sehen sie auch bei andern, z. B. bei Trunken− heit, und das Gesetz erwartet von uns mit Recht, dass wir diese Unterschiede merken, z. B. wenn uns ein Freund um den Auto− schlüssel bittet. Das Ende des physikalischen Totaldeterminis− mus seit Werner Heisenberg ist selbstverständlich nicht gleich Freiheit (wie Pascual Jordan meinte); Zufall ist im Wurm wie im Menschen. Freiheit ist eine komplexe positive Fähigkeit [8], die durch höhere Gehirnentwicklung, Kultur, Erziehung und Selbst− erziehung schrittweise entsteht und störbar, also Aufgabe bleibt. Dass Freiheit nicht Zufallsverhalten, sondern höhere Selbstbe− stimmung durch kreative Fähigkeit ist, hat schon Sophokles gesehen (Chorlied in der ¹Antigone") und so sahen es auch Pico della Mirandola und Kant. Platon, Aristoteles und die Stoa be− tonen, dass Wille (im Gegensatz zum Trieb) wohlbegründetes Streben ist und zwar über sich selbst und den Augenblick hinaus. Der Wille ist ein Stratege und Manager, er lenkt auch die Auf− merksamkeit und beeinflusst die Entwicklung der Interessen und Lebensziele. Aus dieser Kreativität kommt die Fähigkeit zur Forschung, zur Selbstkritik, zur Wahrheit. Wenn die Behauptun− gen der Totaldeterministen nicht ein Automatismus wie eine Darmbewegung, sondern Wahrheit sein sollen, setzen sie kriti− sche Besinnung, also Freiheit voraus. Totaldeterminismus wider− spricht sich selbst. Freiheit kann aber auch zu Bosheit jenseits des im Tierreich Mög− lichen führen, sie macht den Menschen gefährlich; deshalb erfor− dert Willensfreiheit Fairness, Gewissen, Moral jenseits von Brut− pflege der Tiere, sittliche Selbstführung; auch das war schon eine