EinleitungAlkoholabhängigkeit und Suizidalität gehören zu den Phänome-nen, denen die Gesellschaft seit Beginn der Industrialisierung hilflos gegenübersteht. Deshalb wurde die Behandlung alkoholabhängiger Menschen, besonders jener mit ausgeprägt selbstschädigenden Tendenzen, in Deutschland spätestens seit den 70er-Jahren an die Psychiatrie abgegeben. Dadurch wurden diese Menschen für den Rest ihres Lebens mit dem Stigma "chronisch psychisch krank" versehen. Fernab von der existenzialistischen Sichtweise, Trinken und Sterben sei die freie Entscheidung des Menschen [47], wurde die Suizidalität seit Ringel [58] psychiatrisiert. Obwohl Jellinek den Alkoholismus, unter dem Aspekt der Selbstschädigung, bereits 1946 erstmals als Krankheit beschrieb, dauerte es bis zur höchst-richterlichen Anerkennung in Deutschland bis 1968 [25]. Die Annahme der Medizin, sowohl Suizidalität als auch Alkoholabhän-gigkeit seien primär genetisch determiniert [3, 33], versagt dem Menschen die Entscheidungsfreiheit wie auch die Verantwortung für sein Handeln und zeichnet das Bild eines unmündigen Patienten. Der Versuch, diese Phänomene unter dem Blickwinkel von Risikofaktoren zu verstehen, führte dazu, dass Regulationsmechanismen auf der biologischen, medizinischen, psychologischen und soziologischen Ebene gesucht und gefunden wurden. Es wurden monokausale statistische Trends festgestellt, ohne das vermutete Prinzip von Ursache und Wirkung allgemein gül-tig belegen zu können. Der Versuch einer Kombination, unter Zuhilfenahme unterschiedlicher Gewichtungen der biologischen, medizinischen und sozialen Umstände, führte zu einer nicht mehr anwendbaren Komplexität [57]. Für die Pflege als Profession ist es unabdingbar, zu derart weit reichenden sozialen wie gesundheitlichen Phänomenen Stellung zu nehmen und eine eigenständige Herangehensweise zu beschreiben. Im Rahmen der multidisziplinären Zusammenarbeit muss die Pflege sich als eigenständige Profession mit einem integrativen Charakter positionieren. Alle Pflegetheorien, von den Aktivitäten des Lebens [61] bis hin zum Holismus [60], haben den Ansatz von Ganzheitlichkeit gemeinsam und unterscheiden sich dadurch grundlegend von den klinischen, naturwissenschaftlich geprägten Theorien. Aus diesem Grund wird die Pflege eine eigenständige Methode nur unter einem geisteswissenschaftlichen Ansatz formulieren können. Die Pflegetheorie "human becoming theory" von Rosemarie Rizzo Parse [50] erweist sich dafür, unter Einbeziehung soziologischer und philosophischer Aspekte, als eine geeignete Grundlage. Alkoholabhängigkeit und Suizidalität -eine Herausforderung für die psychiatrische Pflege als Profession S. Galgon Vita Stefan Galgon, geboren 1965, Fachkrankenpfleger für Psychiatrie, freiberuflicher Dozent und Referent, arbeitet am Bezirkskrankenhaus Augsburg in einer Ambulanz für Menschen, die von Alkohol oder Medikamenten abhängig sind. Derzeit Teilnahme am Fernstudiengang Pflegewissenschaft