Zusammenfassung
Einleitung Die öffentlichen Debatten um vermeintlich grenzverletzende Sexualpädagogik und Fälle sexualisierter Gewalt in pädagogischen Einrichtungen bilden eine diskursive Hintergrundfolie für pädagogische Arbeit, in der Bezüge zu Körperlichkeit und Sexualität eine wichtige Rolle spielen. Der Fokus liegt im Umgang mit sexualitätsbezogenen Themen häufig auf Prävention, die Kinder und Jugendliche vor Grenzverletzungen, z. B. durch Fachkräfte, schützen soll. (Sexual-)pädagogische Ansätze, die die Selbstbestimmung der Klientel aktiv fördern sollen, geraten dadurch aus dem Blickfeld beziehungsweise können zum Teil selbst den Eindruck erwecken, grenzverletzend zu sein. Vor diesem Hintergrund kann das Phänomen der Unsicherheit aufseiten pädagogischer Fachkräfte, welches in sexualpädagogischen Fortbildungen sichtbar wird, auf seine spezifischen und allgemeinen Bedeutungen hin diskutiert werden.
Forschungsziele Der vorliegende Artikel expliziert die Unsicherheit pädagogischer Fachkräfte in der sexualpädagogischen Arbeit mit der Klientel einerseits und im Verhältnis zu den darüber stattfindenden Diskursen andererseits. Wie äußert sich in diesem Berufsfeld Unsicherheit? Wie wird sie artikuliert und verhandelt? Wie kann die beobachtete Unsicherheit gedeutet werden und welche Konsequenzen ergeben sich daraus möglicherweise für pädagogische Fachkräfte und Sexualpädagog*innen?
Methoden Im Rahmen sexualpädagogischer Fortbildungen für Fachkräfte wurden teilnehmende Beobachtungen durchgeführt. Die dabei entstandenen Beobachtungsprotokolle wurden mithilfe eines deduktiv-induktiv entwickelten Kategoriensystems codiert und inhaltlich strukturierend analysiert.
Ergebnisse Unsicherheit spielt in den sexualpädagogischen Fortbildungen eine zentrale Rolle und äußert sich sowohl implizit als auch explizit. Neben einer allgemeinen Unsicherheit in Bezug auf sexualitätsbezogene Themen wird dies durch sprachliche Unsicherheiten deutlich. Besonders relevant ist die Unsicherheit vor dem Hintergrund der Prävention sexualisierter Grenzverletzungen gegenüber der Klientel. Fachkräfte haben Sorge, sich falsch zu verhalten – diese Sorge tangiert nicht nur das professionelle Handeln, sondern auch die eigene Identität.
Schlussfolgerung In der Suche nach richtigem Handeln zeichnet sich ein Bedürfnis nach der Vereindeutigung von Sexualität ab. Unsicherheit kann in der pädagogischen Arbeit nicht nur ein Hemmnis darstellen, sondern auch Potenzial für Reflexionsprozesse und die Entwicklung einer professionellen Haltung bieten. Sexualpädagog*innen profitieren bei der Gestaltung von Fortbildungsveranstaltungen von einem Bewusstsein über potenzielle oder bestehende Unsicherheiten. Somit können sexualpädagogische Fortbildungen zur Handlungssicherheit von Fachkräften beitragen.