Zusammenfassung
Hintergrund Regelmäßige lange Arbeitszeiten und
Arbeitswege könnten negative Folgen für die psychische
Gesundheit haben. Die Studienergebnisse hierzu sind jedoch nicht eindeutig und
variieren nach Ländern. Die vorliegende Analyse prüft
für Deutschland Zusammenhänge zwischen langen Pendel- bzw.
Arbeitszeiten und depressiver Symptomatik.
Methode Die „Studie Mentale Gesundheit bei der Arbeit“
(S-MGA) ist eine Längsschnittuntersuchung einer Zufallsstichprobe
sozialversicherungspflichtig Beschäftigter. An der Basiserhebung nahmen
3 413 Personen teil, von denen 2 019 nach 5 Jahren erneut befragt wurden.
Wöchentliche Arbeits- und Pendelzeiten sowie Covariaten (Alter,
Geschlecht, berufliche Position, psychosoziale Arbeitsbedingungen) wurden zur
Basisuntersuchung erhoben. Depressive Symptome wurden zu beiden Messzeitpunkten
mit dem Patient Health Questionnaire (PHQ-9) erfasst. Um Zusammenhänge
zu untersuchen, wurden mittels logistischer Regression Odds Ratios mit
95%-Konfidenzintervallen unter Kontrolle von Covariaten kalkuliert. Es
wurden sowohl Querschnitts- (nur Basiserhebung) als auch
Längsschnittsanalysen (Basis- und Nacherhebung)
durchgeführt.
Ergebnisse Zur Basiserhebung hatten 7% der Beschäftigten
lange wöchentliche Arbeitszeiten von≥55 Stunden, weitere
8% arbeiteten 49 bis 54 Stunden. Im Querschnitt waren lange
Arbeitszeiten mit einer moderaten Erhöhung der depressiven Symptomatik
gegenüber der Normalarbeitszeit (35 bis<40 h/Wo)
assoziiert. Wenn die nach fünf Jahren neu auftretende depressive
Symptomatik betrachtet wurde, war der Zusammenhang für Arbeitszeiten von
55 und mehr Stunden deutlich ausgeprägt (Odds ratio (OR) 2,14;
95% Konfidenzintervall (KI) 1,11;4,12), nicht jedoch für
Arbeitszeiten von 49 bis 54 Stunden (OR 1,26, KI 0,65;2,43).
Beschäftigte, die wöchentlich zehn Stunden und mehr pendelten,
hatten im Querschnitt häufiger eine depressive Symptomatik (OR 1,83; KI
1,13;2,94) im Vergleich zur Referenzgruppe, die<2,5 Stunden pendelte.
Dieser Zusammenhang war im Längsschnitt nicht zu beobachten.
Schlussfolgerungen Die Ergebnisse legen nahe, dass überlange
Arbeits- und Pendelzeiten mit einer depressiven Symptomatik bei
Beschäftigten assoziiert sind, wobei die Effekte bzgl. Pendelzeit nur im
Querschnitt zu finden waren. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung der
Einhaltung von Arbeitszeitregelungen und der Vermeidung überlanger
Arbeitszeiten für die Mitarbeitergesundheit. Zur Rolle des Pendelns sind
weiterführende Untersuchungen nötig.