Eine verbreitete Meinung besagt, dass sich Racemate und die dazugehörigen Enantiomere in skalaren physikalischen Eigenschaften wie dem Siedepunkt nicht unterscheiden. Es gibt jedoch eine Reihe von Beispielen, die belegen, dass dies nicht immer zutrifft. Spektakulär ist das Siedeverhalten von Isopropyltrifluorlactat: Der Siedepunkt des (S)-Enantiomers liegt unter Normaldruck um 43 8C höher als der des Racemats. [1] Dadurch lässt sich ein nichtracemisches Gemisch dieser Verbindung durch fraktionierende Destillation auftrennen! Diastereomorphe Aggregate als Ergebnis der Wechselwirkungen zwischen Enantiomeren sind auch die Ursache für ungewöhnliche Sublimationsphänomene [2] und NMR-Spektren [3] der racemischen und enantiomerenreinen Verbindungen. Die bereits von Horeau et al. [4] zu Beginn der siebziger Jahre an Beispielen beschriebene nichtlineare Beziehung zwischen optischer Reinheit einerseits und Enantiomerenüberschuss andererseits hat analoge Ursachen. Weitere ungewöhnliche Ergebnisse, die quasi auf einer Enantiomerenerkennung beruhen, sind von Noyori et al. zusammengefasst worden. [5] Die Frage, inwieweit sich ein solches nichtideales Verhalten auch auf chemische Reaktionen auswirkt, geht auf Wynberg und Feringa zurück. [6] Ihre bekannten Arbeiten mündeten in der These: ¹When a chiral substance undergoes a reaction, the reaction rate and the product ratio will depend ± inter alia ± upon the enantiomeric excess present in the starting material.ª [6a] Die konsequente Fortführung dieser Gedanken führte letztlich zu den nichtlinearen Effekten in der asymmetrischen Synthese, die von Kagan und Agami et al. erstmals quantitativ 1986 beschrieben wurden. [7] Dabei haben sich diese nichtlinearen Effekte [8] als sehr befruchtend für die asymmetrische Katalyse herausgestellt. In einer 1998 erschienenen Übersichtsarbeit sind die bisherigen Ergebnisse sowie zu erwartende Entwicklungen zusammengefasst. [9] Die quantitative Einbeziehung der Aktivität [10] neben der bisher fast ausschlieûlich betrachteten Selektivität führt zu einer erheblich verbesserten Modelldiskriminierung und damit wahrscheinlicheren Interpretationen experimenteller Ergebnisse. Entsprechendes gilt für die Produktselektivität in Abhängigkeit vom Umsatz. [11] Bis zum Erscheinen der Arbeit von Kagan und Agami et al. [7] galt es als allgemein akzeptierte Annahme, dass der maximale ee-Wert, der in einer asymmetrischen Synthese für das Produkt erzielbar ist, maximal den Enantiomerenüberschuss des verwendeten chiralen Auxiliars oder des eingesetzten optisch aktiven Katalysators erreichen kann [Gl. (1)]. ee prod. ee 0 ee aux.(1)Dabei entspricht ee prod. dem experimentell erreichbaren Enantiomerenüberschuss, ee 0 demjenigen, wenn das eingesetzte Auxiliar oder der Katalysator optisch rein sind, und ee aux. repräsentiert den Enantiomerenüberschuss im Auxiliar bzw. Katalysator. Experimente ergaben jedoch, dass es auch Abweichungen von der eigentlich zu erwartenden Linearität gibt. Diese werden als positive bzw. negative nichtlineare Effekte bezeichnet.Reaktionen ...