Unauffällige und sehr kleine Gesten sind es, eine Fingerspitze, die die Lippe berührt, ein ganz vorsichtiges Zurückstreichen der Haarsträhne, zwei Finger einer Hand, die die andere suchen, kaum spürbare Berührungen des eigenen Körpers, an denen die Leute auf sich selbst und das sensomotorisches Band aufmerksam werden, das den für ein Menschliches konstitutiven Zusammenhang von Leib, Wahrnehmung und Gestalt bestätigt. Reveries, Tagträume, Träumereien kaum unterhalb des Bewusstseins sind es, die der Menschenmacher Dr. Robert Ford den Algorithmen seiner künstlichen Wesen als Mikrogesten einprogrammiert. Es zeigt sich, dass den Figuren damit blitzartig Bil der der Erinnerung durch die Vorstellung schießen, ein Vorgang, den die Zuschauen den als Montage von flash-frames auf dem Bildschirm sehen. Solche Erinnerungsfetzen führen im Einklang mit jeder Erinnerungstheorie des 20. Jahrhunderts dazu, dass das Verhalten der Androiden beginnt, Inkonsistenzen aufzuweisen, dass sie ihre implemen tierten Routinen und Narrative verlassen, dass sie Bewusstsein entwickeln. 1 Mit die sem ausgestattet werden sie sich schließlich gegen ihre Schöpfer auflehnen. So erzählt es die Serie Westworld, 2 die sich selbst aus einer Art medienphilologisch inspiriertem Erinnerungsblitz entwickelt: in Dialogen und Einstellungen, in der Inszenierung des Labors ebenso wie im Verhalten der Androiden erinnert die Serie filmisch implizit an die Geschichte des berühmtesten unter den künstlichen Geschöpfen, an Frankensteins Monster, das seinem Schöpfer begegnen will, um ihn zu erledigen. Frankensteins Monster in seinen behäbigen Schritten und der schlechten hap tomotorischen Rückkopplung, mit der es Blumen und Mädchen viel zu grob packt, verletzt und vernichtet, hat, wie sich gerade im Vergleich der Verfilmung von James Whale 3 mit dem Roman Mary Shelleys beobachten lässt, den Medientransfer einer Differenz überstanden: der Unterscheidung von Mensch und Maschinenwesen im Übergang von der Bücher in die Kinofantasie. Die Büchermenschen trennte von ihren so sehr ähnlichen Brüdern und Schwestern, den Androiden und Androidinnen, vor allem eins: Dem Monster fehlte eine Seele. James Whales Kinokerl aber zeigt deutlich, inwiefern sich ein filmisches Monster von allen literarischen Androiden-Fantasien unterscheidet: Der literarische Doppelgänger oder Androide, wie er um 1800 ins Leben gerufen wird, gehorcht den Gesetzen der symbolischen Schrift, die nur 1 Das gilt für die Psychoanalyse in ihrer klassischen oder strukturalen Variante ebenso wie für die philo logisch motivierte Erinnerungstheorie von Aleida und Jan Assmann. Vgl. Erik Porath: Gedächtnis des Unerinnerbaren.