ZusammenfassungKopfschmerzerkrankungen sind häufige Vorstellungsgründe in der
Notaufnahme. Wichtig ist hierbei das Erkennen von potenziell
gefährlichen Grunderkrankungen, die mit Kopfschmerzen einhergehen. Wir
hypothetisierten, dass es zu einer verstärkten Inanspruchnahme der
Notaufnahme aufgrund von Kopfschmerzen kam, nachdem die venöse Thrombose
zerebraler Sinus, die oft starke Kopfschmerzen bedingt, als seltene Nebenwirkung
der Impfung mit Adenovirus-Vektor-basierten Coronavirus-disease 2019
(COVID-19)-Impfstoffen identifiziert und durch das Paul-Ehrlich-Institut
öffentlich kommuniziert worden war. Es erfolgte eine retrospektive
Analyse der Daten von Patient*innen mit der Abschlussdiagnose einer
primären Kopfschmerzerkrankung oder eines nicht näher
spezifizierten Kopfschmerzes der Jahre 2019 und 2021, die sich in der Zentralen
Notaufnahme der Universitätsmedizin Mannheim vorgestellt hatten. Auf
Grundlage der Daten des vom Bundesministerium für Gesundheit
herausgegebenen Impfdashboards wurden die Kalenderwochen 14–30 und
47–48 einerseits sowie 1–13 und 31–46 andererseits in
eine Variable „Impfepoche“ kategorisiert (14–30,
47–48: hohe Impfaktivität bei bundesweit≥3 Mio.
Impfungen/Woche; 1–13, 31–46: niedrige
Impfaktivität bei bundesweit<3 Mio. Impfungen/Woche).
Abhängige Variable waren die Anzahl der Vorstellungen. Mittels
Poisson-Regression wurde geprüft, ob die Häufigkeit der
Ereignisse sich als Funktion des Jahres (2019, 2021), der Impfepoche (niedrig,
hoch) und einer Interaktion von Jahr und Epoche – letzteres den Effekt
der Impfaktivität vor dem Hintergrund der Pandemie reflektierend und als
Inzidenzratenverhältnis angegeben – darstellt. Im Vergleich zu
2019 ergab sich eine über 70%ige Zunahme von Vorstellungen
aufgrund von Kopfschmerzen in Phasen hoher Impfaktivität im Jahr 2021
(p<0.001; 95%-Konfidenzintervall 1.272–2.316),
25% der Vorstellungen im Jahr 2021 erfolgten aufgrund einer
patient*innenseitig vermuteten Assoziation mit stattgehabter Impfung.
Neben anderen Faktoren, welche im Rahmen der Pandemiesituation zu einer
veränderten Vorstellungssituation führen, mögen die
öffentliche Informationsverbreitung und dadurch induzierte Noceboeffekte
Ursachen der in unserer Analyse zutage gekommenen Unterschiede in den
Vorstellungszahlen zwischen den Epochen mit unterschiedlich starker
Impfaktivität sein. Dies illustriert die Auswirkungen der Kommunikation
medizinischer Fakten und Informationen in Krisensituationen auf praktische
Aspekte notfallmedizinischer Versorgung.