ZusammenfassungDie vielleicht bedeutendste Aufgabe wohlfahrtsstaatlichen Handels ist die Bekämpfung von Armut. Dabei gelten insbesondere Unterstützungsmaßnahmen für bedürftige Familien mit Kindern als grundsätzlich unumstritten. Allerdings erhalten arme Familien nicht nur Leistungen, sondern sie werden auch zur Bekämpfung von Armut innerhalb der eigenen Familie finanziell in die Pflicht genommen. Für die Bekämpfung von Armut ist bedeutsam zu verstehen, in welchem Maße Familien die ihnen zustehenden Leistungen tatsächlich in Anspruch nehmen und die von ihnen eingeforderten Abgaben erbringen. Der Beitrag untersucht deswegen in europäisch vergleichender Perspektive, ob und zu welchem Grad die de facto Umverteilung der de jure Umverteilung entspricht. Auf Basis des Mikrosimulationsmodells der Europäischen Union EUROMOD und der EU-SILC-Daten analysieren wir Differenzen zwischen dem tatsächlichen und simulierten verfügbaren Haushaltseinkommen, den Sozialleistungen sowie den Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen von armutsgefährdeten Familien in acht europäischen Ländern. Die Ergebnisse zeigen, dass es in allen acht Ländern deutliche Unterschiede zwischen der de jure und der de facto Umverteilung gibt, die dazu führen, dass armutsgefährdete Familien geringere Einkommen haben als vorgesehen. Dies ist vor allem auf die Nichtinanspruchnahme von Sozialleistungen zurückzuführen, aber auch Unterschiede zwischen den eingeforderten und den tatsächlich geleisteten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen spielen eine wichtige Rolle. Wir zeigen dabei Länderdifferenzen auf.