Hintergrund: Die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten geht mit weitreichenden Potenzialen für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung einher. Im Diskurs um den Auf- und Ausbau von Plattformen, mit denen die Nutzungsmöglichkeiten von Gesundheitsdaten verbessert werden sollen (z.B. Medizininformatik-Initiative, MII), stehen elementare technische und rechtliche Fragen sowie die Interessen und Risiken der datenspendenden Patient*innen im Mittelpunkt. Interessen und Risi-ken, die Leistungserbringer als Datengebende mit der Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten ver-binden, werden dagegen bislang kaum betrachtet. Die von ihnen wahrgenommenen Risiken und daraus resultierende Vorbehalte gegenüber der Sekundärdatennutzung sowie fehlende Ansätze zum professionellen Umgang mit diesen Risiken könnten die Forschung mit Gesundheitsdaten jedoch er-heblich beeinträchtigen.Methoden: In einer explorativen qualitativen Studie wurde daher gefragt, welche wahrgenommenen Potenziale und Risiken von Leistungserbringern in der Se-kundärnutzung von Gesundheitsdaten zum Tragen kommen und mit welchen Strategien und Rah-menbedingungen die Risiken adressiert werden können, ohne die Potenziale der Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten zu limitieren. Dafür wurden zwischen Mai und August 2023 Online-Interviews mit Expert*innen (N=21) unterschiedlicher Stakeholdergruppen (z.B. Leistungserbringer, For-scher*innen, Vertretung von Patient*innen, Datenschützer*innen) geführt und qualitativ inhaltsana-lytisch im gemischt deduktiv-induktiven Verfahren ausgewertet. Ergebnisse: Die Interviews offenbaren neben wahrgenommenen Potenzialen ein breites Spektrum an Risiken, ihren Ursachen und möglichen Folgen für die Reputation, wirtschaftliche und existenzielle Situation von Leistungserbringern. Im Zentrum der Risikowahrnehmung stehen a) verzerrte Ergebnis-se und Interpretation von Sekundärdatenanalysen aufgrund potenzieller Defizite in der Datenvalidität und Analysemethoden, b) Befürchtungen gegenüber mangelnder Gemeinwohlorientierung, c) Haftungsrisiken aufgrund mangelnder Kontrolle über geteilte Daten und offener rechtlicher Fragen, sowie d) Vorbehalte gegenüber verbesserter Transparenz, die Herausforderungen und Fehlverhalten im Versorgungsgeschehen offenbaren könnte. Konkrete Strategien zur Risikominimierung wurden zum einen im Kontext von Zugangs- und Nutzungsentscheidungen über geplante Forschungsvorha-ben adressiert. Diese sind a) die Formulierung risikominimierender Zugangs- und Nutzungsregeln, b) die Gewährleistung transparenter Nutzungsentscheidungen unter Einbezug aller relevanten Stake-holder und systematischer Nutzen-Risiko-Abwägung sowie c) Maßnahmen zur Verbesserung der Validität in der Sekundärdatennutzung. Zum anderen zeigen die Interviewpartner*innen weitere von Datenhaltern und Wissenschaftler*innen zu adressierende Handlungsbedarfe auf und beschreiben, wie die Rahmenbedingungen der Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten gestaltet werden sollten, um Risiken weiter zu reduzieren. Diskussion: Die hier erarbeiteten Erkenntnisse weisen auf Handlungsbedarfe und -möglichkeiten zur Risikominimierung in der Sekundärdatennutzung hin. Eine zentrale Rolle kommt darin der Gewähr-leistung fairer Zugangs- und Nutzungsentscheidungen unter Wahrung von (Schutz-)Interessen der beteiligten Akteure und des Gemeinwohls zu. Diese und weitere Empfehlungen zur Verbesserung von Qualität, Sicherheit und Vertrauen in der Sekundärdatennutzung sollten von den verantwortlichen Stakeholdern in Initiativen wie der MII, unter Forscher*innen und in der Politik aufgegriffen und wei-terentwickelt werden, um Vorbehalte abzubauen und die Forschung mit Gesundheitsdaten unter Wahrung berechtigter Interessen zu fördern.