Zusammenfassung: Theoretischer Hintergrund: Die Erzählfähigkeit ist von hoher schulischer Relevanz. Die kindlichen Leistungen variieren je nach Erhebungsmethode, bisher fehlen jedoch konkrete Vergleichsdaten über Vor- und Schulalter hinweg. Fragestellung: Welche Erzählleistung zeigen deutschsprachige Kinder mit typischer Sprachentwicklung in den Altersklassen von drei bis neun Jahren in Abhängigkeit von der Erzählform (Nacherzählung vs. freie Erzählung)? Methode: Erzählungen anhand eines non-verbalen Bilderbuchs von 89 Kindern im Alter von 3 – 9 Jahren wurden in zwei Subgruppen (Nacherzählung: 3, 5, 9 Jahre; freie Erzählung: 4 – 8 Jahre) verglichen. Die Daten der Gruppe freie Erzählung stammten aus einem CHILDES-Korpus. Die Transkripte wurden anhand eines Punktbewertungssystems (NSS) in sieben Erzählkategorien (z. B. Referenzierung, Schluss) bewertet. Ergebnisse: Die Erzählleistung steigt signifikant über die gesamte Altersspanne ohne auftretende Deckeneffekte, ist aber bei Schuleintritt noch deutlich reduziert. Die freie Erzählung liegt bei Neunjährigen, gemessen am mittleren NSS-Score, 3 – 4 Jahre hinter der Nacherzählung zurück. Diskussion und Schlussfolgerung: Die fortschreitende Entwicklung der Erzählfähigkeit im Grundschulalter sowie das Schwierigkeitsniveau der Erzählformen sollten im Schulkontext beachtet werden.