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Frauenmorde sind kein neues Phänomen, sondern so alt wie das Patriarchat selbst (Radford/Russell 1992). Und doch erhielt es in jüngster Zeit international neue Aufmerksamkeit. Auslöser dafür war der Mord an der argentinischen Schülerin Chiara Paéz im Mai 2015. Ihr Freund erschlug die 14-Jährige, weil sie keine Abtreibung vornehmen lassen wollte, und vergrub sie mit Hilfe seiner Familie im Garten. Daraufhin bildete sich "ni una menos" ("Nicht eine weniger"), ein Kollektiv von Journalistinnen, Künstlerinnen und Aktivistinnen, das am 3. Juni 2015 hunderttausende Menschen gegen Frauenmorde mobilisierte, sowohl in den sozialen Medien als auch auf der Straße. Seither hat sich die Bewegung nicht nur verstetigt, sondern wurde auch in einer Vielzahl anderer Länder aufgegriffen, insbesondere in Lateinamerika-darunter in Chile, Peru oder Mexiko-aber auch in Spanien, Italien ("non una di meno") oder Albanien. Auch wenn die Proteste 2015 als ein qualitativer Sprung in der Thematisierung von Frauenmorden aufgefasst werden können, stützt sich die Bewegung auf eine bereits Jahrzehnte andauernde Debatte in den Sozialwissenschaften und feministischen Organisationen um das Konzept des Femizids/Feminizids, also der Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind. In Deutschland steht eine solche Diskussion allerdings noch weitestgehend aus. Die im März 2017 gegründete Plattform "Keine Mehr" möchte deshalb genau hier ansetzen. Anschließend an diese Initiative will der folgende Beitrag eine Auseinandersetzung darüber anstoßen, was in unterschiedlichen Bereichen sichtbar wird, was sich verändert und verändern müsste, wenn das Konzept des Femizids/Feminizids im deutschen Kontext verwendet wird. Dazu zählen insbesondere die Bereiche Statistikerhebung und Forschung, mediale und gesellschaftliche Diskurse sowie Gesetzgebung und Rechtsprechung. Es kann und soll sich an dieser Stelle jedoch nur um erste Anregungen für weitere Forschung und Debatten auf wissenschaftlicher, gesellschaftspolitischer und juristischer Ebene handeln. Femizid und Feminizid-eine Begriffsfindung Eingeführt hatte den Begriff femicide (Femizid) die Soziologin Diane Russell 1976, als sie ihn vor dem Internationalen Tribunal zu Gewalt gegen Frauen in Brüssel im Kontext von Tötungen von Frauen durch Männer verwendete, ohne ihn jedoch näher zu definieren (Russell 2011a). 1 Das Verständnis eines "mysogynous killing of women by men" führte sie erst 1992 zusammen mit Jill Radford weiter aus (Rad
Frauenmorde sind kein neues Phänomen, sondern so alt wie das Patriarchat selbst (Radford/Russell 1992). Und doch erhielt es in jüngster Zeit international neue Aufmerksamkeit. Auslöser dafür war der Mord an der argentinischen Schülerin Chiara Paéz im Mai 2015. Ihr Freund erschlug die 14-Jährige, weil sie keine Abtreibung vornehmen lassen wollte, und vergrub sie mit Hilfe seiner Familie im Garten. Daraufhin bildete sich "ni una menos" ("Nicht eine weniger"), ein Kollektiv von Journalistinnen, Künstlerinnen und Aktivistinnen, das am 3. Juni 2015 hunderttausende Menschen gegen Frauenmorde mobilisierte, sowohl in den sozialen Medien als auch auf der Straße. Seither hat sich die Bewegung nicht nur verstetigt, sondern wurde auch in einer Vielzahl anderer Länder aufgegriffen, insbesondere in Lateinamerika-darunter in Chile, Peru oder Mexiko-aber auch in Spanien, Italien ("non una di meno") oder Albanien. Auch wenn die Proteste 2015 als ein qualitativer Sprung in der Thematisierung von Frauenmorden aufgefasst werden können, stützt sich die Bewegung auf eine bereits Jahrzehnte andauernde Debatte in den Sozialwissenschaften und feministischen Organisationen um das Konzept des Femizids/Feminizids, also der Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind. In Deutschland steht eine solche Diskussion allerdings noch weitestgehend aus. Die im März 2017 gegründete Plattform "Keine Mehr" möchte deshalb genau hier ansetzen. Anschließend an diese Initiative will der folgende Beitrag eine Auseinandersetzung darüber anstoßen, was in unterschiedlichen Bereichen sichtbar wird, was sich verändert und verändern müsste, wenn das Konzept des Femizids/Feminizids im deutschen Kontext verwendet wird. Dazu zählen insbesondere die Bereiche Statistikerhebung und Forschung, mediale und gesellschaftliche Diskurse sowie Gesetzgebung und Rechtsprechung. Es kann und soll sich an dieser Stelle jedoch nur um erste Anregungen für weitere Forschung und Debatten auf wissenschaftlicher, gesellschaftspolitischer und juristischer Ebene handeln. Femizid und Feminizid-eine Begriffsfindung Eingeführt hatte den Begriff femicide (Femizid) die Soziologin Diane Russell 1976, als sie ihn vor dem Internationalen Tribunal zu Gewalt gegen Frauen in Brüssel im Kontext von Tötungen von Frauen durch Männer verwendete, ohne ihn jedoch näher zu definieren (Russell 2011a). 1 Das Verständnis eines "mysogynous killing of women by men" führte sie erst 1992 zusammen mit Jill Radford weiter aus (Rad
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