Zusammenfassung
Hintergrund Bezogen auf den „Nationalen Aktionsplan“ zur Umsetzung des WHO-Ziels einer Masernelimination bestehen erhebliche Herausforderungen bei Erwachsenen und beim Ausbruchsmanagement.
Methode Die Beschreibung der Ziel-Bevölkerungsgruppe der nach 1970 geborenen Erwachsenen sowie weiterer potentiell vulnerabler Gruppen erfolgte mittels einer systematischen Literaturübersicht. Mithilfe einer weiteren systematischen Literaturübersicht wurden Handlungsoptionen zur Verhinderung von Neuinfektionen aufgezeigt und Handlungsempfehlungen diskutiert. Eine Modellierung zur Verdeutlichung des Einflusses der verschiedenen infektionsepidemiologischen Parameter wurde durchgeführt.
Ergebnisse Für die 20–39-Jährigen beträgt die anzunehmende Impfquote 79,8% bei 20–29-Jährigen und 46,7% bei 30–39-Jährigen, die erhobenen Seroprävalenzen wiesen dem gegenüber für die 20–29-Jährigen eine Seropositivität von ca. 91,5% und für die 30–39-Jährigen von ca. 95% nach. Vulnerable Subgruppen mit religiös oder weltanschaulich begründeter ablehnender Einstellung (Impfquoten von 50 bis 75%) sowie Migranten (85,9–95,1%) und Asylsuchende (89,9%) wurden identifiziert. Die systematische Literaturübersicht zeigt, dass Interventionen zur Erhöhung der prä- bzw. postexpositionellen Durchimpfungsquote sowie zur Verringerung der Kontaktrate effektiv sind bzw. sein können. Bei idealer Absonderung kann schon eine Impfquote von 73% ausreichen, um ein Ausbruchsgeschehen unter Kontrolle zu bringen. Die durchgeführte Modellierung verdeutlicht die Relevanz der hohen Basisimmunisierung gegenüber anderen Einflussfaktoren für eine effektive Ausbruchskontrolle. Es wird ferner berechnet, wie hoch die Effektivität weiterer Interventionen sein müsste, um einen Ausbruch einzudämmen.
Schlussfolgerungen Die Ergebnisse legen nahe, die Basisimmunität weiter zu erhöhen und zusätzlich im Ausbruchsfall eine konsequente Absonderung durchzuführen. Die Zielgruppe der jungen Erwachsenen insbesondere mit Migrationshintergrund aus Ländern mit bekannter hoher Suszeptibilität und weitere vulnerable Subgruppen sollten gezielt bezüglich einer ggf. nachzuholenden Masernimpfung angesprochen und der bisherige Fokus von Kindern- und Jugendlichen auf Erwachsene ausgedehnt werden. Hierbei erscheinen diversity-sensible Maßnahmen der Informationsvermittlung und ein erleichterter Zugang zu Impfungen besonders geeignet.