Der vorliegende Beitrag untersucht die weit verbreitete These, dass Deutschschweizer Kantone vor allem radikaldemokratische Merkmale aufweisen, w€ ahrend die lateinischen Kantone st€ arker liberal-repr€ asentative Demokratieformen besitzen. Die empirische und mehrdimensionale Messung der Demokratiequalit€ at in den Kantonen zeigt, dass die pauschale These der direktdemokratisch-partizipatorischen Deutschschweizer Kantone auf der einen Seite und der repr€ asentativdemokratischen St€ ande der lateinischen Schweiz auf der anderen Seite der Komplexit€ at der kantonalen Demokratien nicht gerecht wird. Als erkl€ arungskr€ aftige Alternative f€ ur die Positionen der Kantone auf den Achsen liberaler und radikaler Demokratien an der Schwelle des 21. Jahrhunderts erweist sich vielmehr die St€ arke der liberalen und demokratischen Verfassungsbewegungen in den Kantonen Mitte des 19. Jahrhunderts.(1) Einleitung Ein Hauptanliegen der empirischen Demokratieforschung liegt darin, die verschiedenen Typen von politischen Regimes zu erfassen und miteinander zu vergleichen. Eine herausragende Rolle kommt dabei der Demokratiemessung zu, die ihren Ursprung in den Arbeiten von Lipset (1959) und Dahl (1956 hat und in zahlreichen Studien fortgesetzt und weiterentwickelt wurde (f€ ur eine € Ubersicht: Lauth 2004; Pickel und Pickel 2006). Die bisherigen empirischen Arbeiten zeichnen sich allerdings dadurch aus, dass sie fast ausschliesslich auf die nationale Ebene fokussieren, w€ ahrend die subnationale Stufe praktisch ausgeblendet bleibt. Diese L€ ucke kann aus mindestens zwei Gr€ unden nicht mittels einfacher € Ubertragung nationaler Demokratiemasse auf die subnationale Einheiten geschlossen werden. Erstens k€ onnen bisherige Masse die Varianz in der Demokratiequalit€ at in subnationalen Einheiteninsbesondere in f€ oderalistischen Systemen, die sich aber als Untersuchungsgegenstand besonders eignen -nicht erkl€ aren (Kropp et al. 2008). Zweitens vernachl€ assigen bisherige Masse die direktdemokratischen Settings, die auf subnationaler Ebene verbreiteter sind als auf nationaler, praktisch g€ anzlich. Gerade f€ ur das Verst€ andnis des schweizerischen politischen Systems, das im Folgenden genauer analysiert werden soll, ist die Analyse der Kantone von Bedeutung, da "die moderne schweizerische Demokratie sich zuerst in den Kantonen" entwickelte (K€ olz 2004: 41). Wir argumentieren, dass die Ergr€ undung der vielgestaltigen Qualit€ at komplexer demokratischer Entscheidungsstrukturen in der Schweiz erst aufgrund komparativ angelegter Analysen kantonaler Systeme m€ oglich wird. Diese wiederum m€ ussen auf einem geeigneten, neu zu entwickelnden Demokratiemass basieren.