Angelika Nußberger Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und die Rechte von Frauen | Fokus gen dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens folgend ohne Weiteres anerkannt werden. Sie warb für eine Vereinheitlichung von Standards für Kindesanhörungen-mindestens europaweit, idealiter international. Sie bemängelte zudem, dass das HKÜ nur Rückführungsfragen regeln würde und Regelungen zu den in diesen Verfahren geschlossenen Vereinbarungen fehlen würden; gerade diese müssten belastbar sein. In der Schlussdiskussion mit allen Referentinnen des Tages hatten wir vor, über weiteren gesetzlichen Handlungsbedarf zu diskutieren. Tatsächlich konzentrierten wir uns dann auf das Für und Wider zum Wechselmodell. Wer einen "Glaubenskrieg" erwartet hatte, wurde allerdings enttäuscht. Die emotionale Diskussion zeichnete sich dadurch aus, dass die Befürworterinnen und Gegnerinnen sich verstehen wollten und sich deshalb zuhörten. Hier ist insbesondere der französischen Kollegin Dank zu sagen, die mit dem Einblick in die französische Praxis zu relativieren vermochte. Als ein Beispiel mag ihr Bericht einer Anordnung des sog. "Nestmodells" dienen. Ein Paar mit acht Kindern trennte sich und nur ein Elternteil-konkret die Mutter-war in der Lage, eine entsprechend große Wohnung zu unterhalten. Gegen den Willen der Eltern entschied sie, dass das Nestmodell versucht werden sollte. Es scheint geklappt zu haben, denn sie wurde nicht erneut befasst. Fazit Das deutsche Kindschaftsrecht ist im europäischen Kontext nicht von "vorgestern". Mit Blick auf alternative-paritätische-Betreuungsmodelle und deren richterlicher Anordnung bedarf es jedoch ergänzender Überlegungen, da de lege lata die Zulässigkeit einer solchen Anordnung-wie mit nachvollziehbaren Gründen vertreten wird-zweifelhaft ist. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass die Instanzrechtsprechung das geltende Recht für ausreichend erachtet, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung. Ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, sollte daher nicht vorschnell beantwortet werden, zumal (notwendige) Folgeänderungen, wie z.B. die Vertretungsbefugnis eines Elternteils bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen, mit in den Blick zu nehmen sind. Am Ende des lebhaften Seminartages bestand Einigkeit, dass die tatsächliche Umsetzung der gemeinsamen Sorge lebbar sein muss, orientiert am allgemeinen Kindeswohl. Konkret kann dies auch durch ein Wechselmodell bzw. eine paritätische Doppelresidenz realisiert werden. Hierzu sollten die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Die Diskussion in Bonn hat uns Hoffnung gemacht, dass dies gelingen kann. Wie so oft in familienrechtlichen Streitfällen gibt es nicht die Lösung sondern immer nur eine für den konkreten Einzelfall.