Mit dem historischen Erbe umgehenGeschichtsschreibung ist etwas anderes als persönliches Erinnern. Geschichte ist konstruierte Erinnerung, die auf Daten und Fakten beruht; Erinnern ist subjektiv und emotional ([1], S. 53).Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) kommt mit einem auf sechs Jahre (2015-2021) angelegten Forschungsprojekt ihrem Bedürfnis und der Aufgabe nach, die eigene Geschichte während der Naziherrschaft und der Folgejahre so objektiv wie eben möglich zu rekonstruieren und damit eine belastbare historische Grundlage auch -oder gerade fürnachfolgende Generationen zu schaffen.Für die Älteren unter uns soll dies eine Erleichterung darstellen: Statt Behauptungen und Mutmaßungen bekommen sie einige Gewissheiten an die Hand, mit denen sich Zurückliegendes besser bewerten und einordnen lässt, nachdem die letzten Zeitzeugen hinter dem Horizont verschwinden und dann von ihnen ebenfalls nur noch Dokumente existieren.Wir sind keine Richter, können es nicht sein, haben doch die meisten von uns nicht unter diesen oder ähnlichen Bedingungen leben müssen und waren nie vor Entscheidungen gestellt, die für das eigene Leben, die Karriere, die Familie oder gar das Leben anderer schicksalhaft sein konnten. Dennoch dürfen und wollen wir uns unsere eigene Meinung bilden, um mit unserem nicht einfachen historischen Erbe entschiedener umgehen zu können.Im Laufe einer sehr engagierten Diskussion -auch mit dem zahlreichen Publikum einer Kongressveranstaltung zu diesem Thema -über den zukünftigen Umgang mit Namen belasteter Neurolo-gen, ehemaliger Vorsitzender sowie Ehrenmitglieder und Ehrenvorsitzender der DGN haben wir uns bewusst gegen eine Löschung dieser Namen aus dem "Gedächtnis der DGN" entschieden, da ein Umschreiben von Geschichte grundsätzlich nicht möglich ist -auch wenn dies weltweit immer wieder versucht wird. Damit gehört die gesamte Vergangenheit der DGN zu eben dieser Gesellschaft und wir sehen in der hier dargestellten historischen Last durchaus die immer wieder daraus zu ziehende Lehre (nach [2]), [3]. In der Konsequenz werden wir in Dokumentationen zu den oben genannten Gruppen (Vorstände, Ehrenmitglieder etc.) den Belasteten unter ihnen Anmerkungen zu deren individueller Biografie, den historischen Kontext sowie die zugehörige ethische Problematik beistellen, um so ein tieferes Verständnis für ihr Geschick und ihr geschichtliches Umfeld zu ermöglichen.