Normative Vorstellungen von Schulklassen

Abstract

Theoretisch anspruchsvoll und vom Materialumfang her umfangreich bearbeitet Marco Hübner in der vorliegenden -als Masterarbeit im Master of Education der Universität Göttingen entstandenen -Studie die in der Schulforschung noch kaum diskutierte Frage nach den normativen Vorstellungen von Schulklassen. Er untersucht, wie welche normativen Vorstellungen der Schulklasse in zentralen Modellierungen der Schulforschung der letzten Jahrzehnte, in gegenwärtigen Ratgebertexten für die pädagogische Praxis und im alltagsbasierten Sprechen von Klassenlehrkräften über Schulklassen hervorgebracht werden. Dabei interessiert er sich besonders für die Konstruktionen der Positioniertheit von Klassenlehrkräften im Verhältnis zu der Schulklasse im Sinne eines Kollektivs von Schüler*innen. Die Idee für die Fragestellung ist in dem Projekt zur Herstellung von Schulklassen am Arbeitsbereich Empirische Unterrichtsforschung und Schulentwicklung am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Göttingen entstanden, in dem Marco Hübner vier Jahre als studentische Hilfskraft mitgearbeitet hat. In dem Projekt wird der Konstitution von Schulklassen in einer praxistheoretischen Perspektive nachgegangen. Erforscht wird die Herstellung von Schulklassen mittels ethnographischer Beobachtungen von kontrastiv ausgewählten Schulklassen an weiterführenden Schulen. In seiner Studie führt Marco Hübner dieses Erkenntnisinteresse -ergänzt um die Frage nach der Positioniertheit von Lehrkräften -in eigenständiger, sehr anregender Weise fort. Der Gewinn seiner Analysen ist ein differenzierter Einblick in "Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Spannungsverhältnisse und Auslassungen" (siehe S. 7) davon, wie sich die Schulklasse in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion, den programmatischen Entwürfen und dem in Schulen situierten Diskurs der Lehrkräfte vorgestellt wird. Die Analysen regen in vielfältiger Weise zu Anschlussforschungen an. Es kommt die Variabilität in den Blick, in der die Schulklasse theoretisch gedacht werden kann. In der Analyse der Interviews wird deutlich, wie sich die Lehrkräfte einerseits als einer Schulklasse zugehörig, andererseits als ihr vorstehend hervorbringen, damit als Teil von ihr und zugleich für sie verantwortlich. Genauer verstanden werden kann somit das Spannungsfeld, in dem sich die Diskussion zur Schulklasse bewegt, dass sich die Schulklasse zugleich von selbst und doch nicht von selbst zu bilden vermag. Für die praxistheoretische Forschung eröffnen sich auf Basis dieser Studie weitergehende Forschungsperspektiven zu den ‚Doings and Beings' von Klassen und ihren Lehrkräften. Göttingen im April 2022, Kerstin Rabenstein 10 Abweichungen lassen sich anhand von Spannungen zu angenommenen Diskursordnungen oder als sich in der Praxis selbst vollziehend betrachten. Zum methodologischen Vorgehen in dieser Studie siehe Abschnitt 2.1.

Diskursive Praktiken des Erinnerns und Erwartens

“…Das Projekt zur Herstellung von Schulklassen wurde gemeinsam mit Kerstin Rabenstein und Tilman Drope durchgeführt (vgl. Drope/Rabenstein 2021;Drope et al 2022;Hübner 2022; vgl. auch Rabenstein et al 2018).…”