Zusammenfassung
Hintergrund Für die Surveillance von Diabetes bedarf es aktueller
Daten zur Prävalenz des Diabetes und seiner Komplikationen im zeitlichen
Verlauf. Hierbei werden zunehmend Daten der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) genutzt, da diese zeitnah zur Verfügung stehen und die Fallzahlen
detaillierte Schätzungen auch von Diabeteskomplikationen erlauben. Ziel
der vorliegenden Studie war die Entwicklung und interne Validierung von
Falldefinitionen für die Prävalenzschätzung der
diabetischen Retinopathie (DRP), der diabetischen Polyneuropathie (DPN) und des
diabetischen Fußsyndroms (DFS).
Methodik Datengrundlage der Studie bilden Personen mit Diabetes
unterschieden nach Typ-1-, Typ-2- und sonstigem Diabetes in einer alters- und
geschlechtsstratifizierten Stichprobe von Barmer Versicherten im Jahr 2018
(n=72.744). Ausgehend von den zentralen ICD-Codes für die
mikrovaskulären Komplikationen (DRP: H36.0; DPN: G63.2; DFS:
E1X.74/.75) wurden Falldefinitionen unter Einbezug weiterer ICD-Codes,
die die Komplikation ohne direkten Diabetesbezug verschlüsseln,
entwickelt. Anschließend wurden die Falldefinitionen intern validiert.
Hierfür wurden eine Codierung im stationären (m1S) oder
wiederholt im ambulanten Bereich (m2Q) sowie eine Codierung spezifischer
Leistungen (EBM, OPS) und Arzneimittelverordnungen oder durch relevante
Facharztgruppen betrachtet. Abschließend wurde das Vorliegen der
Diagnosen in den Vorjahren analysiert.
Ergebnisse Im Jahr 2018 betrug die Prävalenz der zentralen
ICD-Codes der DRP (H36.0) 8,4%, der DPN (G63.2) 18,9% und des
DFS (E1X.74/.75) 13,4%. Unter Einbezug weiterer ICD-Codes in die
Falldefinitionen erhöhten sich die Prävalenzen für DRP
(9,6%) und DPN (20,7%) deutlich, für DFS kaum
(13,5%). Die interne Validierung bestätigte den Großteil
der Diagnosen (DRP: 96,7%; DPN: 96,5% DFS: 95,8%) und
m2Q stellte das relevanteste Kriterium dar. Bei Berücksichtigung von bis
zu vier Vorjahren fielen die Prävalenzen für DPN und DFS um bis
zu 30% und für DRP um bis zu 64% höher aus.
Schlussfolgerung Der Einbezug zusätzlicher ICD-Codes in die
Falldefinition von mikrovaskulären Komplikationen des Diabetes erscheint
sinnvoll, da diese die Sensitivität der
Prävalenzschätzung erhöht. Die interne Validierung
deutet darauf hin, dass die dokumentierten Diagnosen plausibel sind. Allerdings
wird ein Teil der Diagnosen nicht jährlich dokumentiert, was zu einer
Unterschätzung in der querschnittlichen Betrachtung eines Jahres
führt.