ZusammenfassungIn der Scientific Literacy und der Context-Based Science Education wird dem Lebensweltbezug eine hohe Bedeutung zugeschrieben. In vielen Forschungsprojekten zum Lebensweltbezug, ein Aspekt der Aufgabenqualität, werden schriftliche Aufgabenstellungen beurteilt und ausgewertet. Eine Schwierigkeit beim Analysieren von Aufgaben ist die Tatsache, dass die Bewertung von geschulten Beurteilenden anders ausfallen kann als durch die Zielgruppe im Unterricht. Die Dokumentenanalyse bildet das objektive Potenzial der Aufgaben aus Sicht der jeweiligen Beurteiler:innen ab. Die Einbettung der Aufgaben im Unterricht, das Niveau der Lösungen sowie die Aufgabeneinschätzung der Lernenden werden weggelassen. Studien, die sich mit der Analyse der schriftlichen Aufgaben und der Aufgabenbeurteilungen durch Lernende im Unterricht auseinandersetzen, existieren derzeit kaum. Um diese Forschungslücke zu schmälern, wird in diesem Vorhaben verglichen, wie fachdidaktische Lehrmittelautor:innen ihre entwickelten Aufgaben einschätzen und Lernende dieselben Aufgaben im Unterricht nach deren Bearbeitung wahrnehmen. Hierzu beurteilten Lernende (N = 805) ausgewählte MINT-Aufgaben (N = 16) auf deren Lebensweltbezug (min. 66, max. 182 Lernende pro Aufgabe) mithilfe des Aufgaben-Analyse-Instruments. Die Lernenden-Einschätzungen werden anschließend inferenzstatistisch der fachdidaktischen Perspektive der Lehrmittelautor:innen gegenübergestellt und diskutiert. Die Befunde dieser Studie zeigen, dass die Lernenden in den untersuchten MINT-Aufgaben die Lebenswelt divers wahrnehmen und es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede gibt. Die Gegenüberstellung der Lernenden-Einschätzungen und der Setzung der Lehrmittelautor:innen macht deutlich, dass die Autor:innen in der Regel die Aufgaben authentischer beurteilen, als die Lernenden diese wahrnehmen. Aufgrund der doch deutlichen Diskrepanz zwischen den zwei Perspektiven wird diskutiert, welchen Mehrwert der Einbezug der Praxis in einem iterativen Verfahren beim Erstellen von Lernaufgaben haben könnte, um den Lebensweltbezug aus der Perspektive der Lernenden stringenter aufnehmen zu können.