Über Sterblichkeit, den Tod und die Toten nachzudenken ist ein Kernbereich dessen, wie über das Menschsein reflektiert wird, sei es in Religion, Philosophie oder künstlerischem Schaffen. Entsprechend spielen der Tod und die Toten eine gesellschaftspolitisch und kulturtheoretisch zentrale Rolle. Dies reicht von der Erinnerungspolitik und Fragen öffentlichen Gedenkens über die Debatte um Trauer und das Tragische als Brennglas für politische Prozesse 1 bis zu Konzepten des »grievable life« 2 und der »necropolitics«. 3 Gemeinsam ist diesen Konzepten, dass nicht nur die Lebenden, sondern auch die Toten als Objekte politischen Handelns und symbolischer Verfügung für die Lebenden und deren Selbstverständigung konzeptualisiert werden: Die Toten werden zum Gegenstand der Deutung unter den Lebenden, um deren Verhältnisse untereinander zu klären. Auch wenn dies nicht für alle Toten und Kontexte gleichermaßen gilt, so behalten bestimmte Tote für die Lebenden eine intensive Bedeutung bei, die sie vielleicht sogar erst durch den Tod gewonnen haben, und können in der Orientierung des Handelns der Lebenden weiterhin fortwirken als würden sie leben -und das sogar in einer Form, die sie im Leben nicht hätten haben können. Wessen Leben als öffentlich betrauerbar angesehen wird und wessen nicht, wem welches Begräbnis zukommt und wo, oder wessen Leichnam anonym verscharrt, zur Schau gestellt oder der Verrottung preisgegeben wird sind tiefgreifende Aspekte gesellschaftlicher Selbst-und Machtverhältnisse. Staatliche, religiöse und andere Institutionen beanspruchen dabei eine Kontrolle über die Toten, aber manche Tote üben auch über ihren Tod hinaus -und manche erst überhaupt nach dem Tod -Macht über die Lebenden aus. 4 Die Umstände des Todes, der Umgang mit den Toten und ihre Wirkung auf die Nachwelt sind politisch; die Toten sind politisch als Tote.