Zusammenfassung
„In der Krise beweist sich der Charakter“ (Helmut Schmidt) – und die Kultur einer Organisation. Trägt sie auch in schwierigen Zeiten? Kommt es unter Druck zu einer Verstärkung der positiven oder der dysfunktionalen Aspekte? Dieser Praxisbericht befasst sich mit einem Pflegebereich eines Universitätsklinikums und insbesondere seiner Führungskultur, die jüngst angesichts der COVID-19-Pandemie einem „Stresstest“ ausgesetzt war. Erleichternderweise trat hier ein solides Fundament zutage bzw. es zeigte sich die positive Kraft einer bereichsumfassenden Kultur der gemeinschaftlichen Führung. Unser Beitrag zu diesem Themenheft der Zeitschrift Gruppe. Interaktion. Organisation. (GIO) reflektiert einen fünfjährigen Führungsentwicklungsprozess, der die Herausbildung einer adaptiven und gemeinschaftsorientierten Führungspraxis, welche Komplexität, permanente Veränderung und multiple Spannungsfelder konstruktiv bewältigen kann, unterstützt hat. Kernelemente dieses Prozesses waren regelmäßige Großgruppenworkshops, die als Resonanz‑, Reflexions- und Experimentierräume dienten sowie Vertrauen und Verbundenheit förderten. Wir rekapitulieren zunächst wesentliche Schritte und Inhalte des Prozesses und beleuchten dann auf Basis von Interviews mit beteiligten Führungspersonen Wirkfaktoren und Gelingensvoraussetzungen der stattgefundenen Entwicklungen. Anschließend erfolgt eine Auseinandersetzung mit theoretischen Perspektiven auf Sinnfragen in Zusammenhang mit Führung und eine Einordnung und Diskussion des Fallbeispiels vor diesem Hintergrund. Dabei interessieren uns vor allem solche Ansätze, die Sinnphänomene als transsubjektiv und kollektiv betrachten und unser Beitrag plädiert dafür, Sinn nicht losgelöst von den Gemeinschaften zu denken, in welchen er entsteht. Wir enden mit einem Resümee und Ausblick angesichts einer Reorganisation im Kontext des Fallbeispiels.