ZusammenfassungEntgegen seiner ursprünglichen Gründungshistorie erscheint das Internet zunehmend seitens staatlicher Akteure instrumentalisiert zu werden. Vor allem Autokratien nutzen dabei verstärkt den Cyberspace als offensiven Konfliktaustragungsraum. Jedoch entwickelten auch demokratische Staaten vor allem auf Grundlage ihrer technologischen Überlegenheit genuine Machtressourcen im digitalen Raum. Der vorliegende Literaturbericht liefert eine Analyse des bisherigen Zugangs der politikwissenschaftlichen Forschungslandschaft zu Macht im Cyberspace. Bisherige Konzeptualisierungen werden miteinander verglichen und zu einem integrativen Modell zusammengefügt, welches zwischen Machtressourcen und Machtfunktionen differenziert. Für deren empirische Sichtbarmachung wird das Konzept des Proxys zunächst hinsichtlich seiner theoretischen Implikationen diskutiert und im Folgenden als analytische Referenzkategorie für die Diskussion spezifischer Debatten um Macht im Cyberspace verwendet. Diese beziehen sich erstens auf die Nutzung offensiver Cyberproxies seitens autokratischer Staaten, zweitens auf die Instrumentalisierung defensiver Cyberproxies seitens demokratischer Staaten und drittens auf die jeweilige Rolle staatlicher Proxies für beide Regimetypen im Rahmen einer Agenda-Setting-Funktion auf internationaler Ebene. Dabei wird jeweils zwischen den zwei benannten Kategorien auf der Hard- sowie Softpower-Ebene unterschieden, wodurch die eingeschränkte, in Teilen jedoch vorhandene Bedeutung materieller Machtfunktionen, welche durch Proxies im Cyberspace verfolgt werden können, expliziter herausgearbeitet werden kann. Macht im Cyberspace bezieht sich in allen drei empirischen Themenfeldern überwiegend auf Informationen als zentrale Ressource, welche vor allem zur Manipulation bestehender Asymmetrien gegenüber externen sowie internen Akteuren seitens autokratischer und demokratischer Regierungen variant zum Einsatz kommt. Dabei spielt Macht zur offensiven sowie defensiven Eskalationskontrolle im Rahmen von Konflikten eine bedeutende Rolle, jedoch auch Machtressourcen nichtstaatlicher Akteure, welche auf die diskursive Beeinflussung internationaler Verregelungsbemühungen des Cyberspace als Konfliktaustragungsraum ausgerichtet sind.