Viele natiirlich vorkommende und synthetische Liganden konnen Nucleinsauren selektiv erkennen, Oligonucleotide aber zeigen die hochste Erkennungsspezifitat. Sie binden unter Bildung von Watson-Crick-Wasserstoffirucken an eine komplementare einstrangige Sequenz. Des weiteren konnen sie in der groBen Furche von Doppelhelix-DNA bestimmte Sequenzen erkennen, indem sie mit Purinbasen der Watson-Crick-Basenpaare Hoogsteen-oder reverse Hoogsteen-Wasserstoffirucken bilden, wobei eine Tripelhelix cntsteht. An der sequenzspezifischen Wechselwirkung sind hauptsachlich Homopurin . Homopyrimidin-Sequenzen in der Doppelhelix beteiligt. Es ist noch immer eine Herausforderung fur Chemiker, den Bereich der Erkennungssequenzen zu erweitern. Es sind sowohl thermodynamische als auch kinetische Parameter fur die Bildung von Tripelhelices bestimmt worden. Diese Parameter zeigen beispielsweise, daB die Bildung einer Tripelhelix vie1 langsamer ist als die einer Doppelhelix. Nuclease-resistente Oligonucleotide, die aus dem a-Anomer von Nucleosiden (anstatt aus dem natiirlich vorkommenden fl-Anomer) dargestellt werden, bilden mit doppelstringiger DNA ebenfalls Tripelhelices. Tripelhelix-bildende Oligonucleotide konnen mit DNA-intercallerenden Agentien verkniipft werden, wodurch sie eine hohere Bindungsaffinitat erhalten. Oligonucleotide konnen auch durch Reagentien modifiziert werden, die durch chemische oder photochemische Aktivierung in der Zielsequenz irreversible Reaktionen induzieren. Es konnen so kunstliche Nucleasen entwickelt werden, die eine hohe Sequenzspezifitat selbst fur Megabasen-DNA aufweisen. Tripelhelix-bildende Oligonucleotide konnen ferner zur selektiven Steuerung der Genexpression verwendet werden. Binden sie an regulatorische Bereiche bestimmter Gene, so konnen sie die Aktivierung (oder Repression) der Transkription verhindern. Werden sie in der Nahe oder downstream von der Stelle gebunden, an der die Transkription beginnt, so kann die Fortsetzung des Ablesevorgangs gehemmt werden. Es ist vorstellbar, daI3 sich neue genblockierende Agentien entwickeln lassen, die zur therapeutischen Behandlung genetischer Storungen eingesetzt werden konnen.