“…In diesem Transkriptionsausschnitt wird deutlich, dass RS1 bereits ein Bewusstsein für ihre individuelle Mehrsprachigkeit entwickelt hat und für ihre Denkprozesse zum Entwickeln von Schreibideen neben Deutsch auch Englisch nutzt, nicht aber für das Notieren von Inhalten� Dies scheint jedoch nicht immer gut zu funktionieren, weshalb die Beraterin ein mehrsprachiges schriftliches Planen als Schreibstrategie vorschlägt, was in der Schreibwissenschaft empirisch bei geübten Schreibenden als erfolgreich nachgewiesen werden konnte(Dengscherz 2019)� Die Beraterin knüpft mit ihrem Vorschlag an die praktizierte Denkstrategie an, ähnliche Sprachsysteme für das Erdenken von Inhalten des zu schreibenden Textes zu nutzen, und kann auf diese Weise dazu beitragen, dass die Ratsuchende ihre sprachliche Analysefähigkeit aktiviert, ihr explizites Wissen über ähnliche Sprachsysteme erweitert, indem sie für sie als ähnliche wahrgenommene Sprachen gleichermaßen für das Entwickeln von Textinhalten einsetzt� Auf diese Weise kann sie bekannte mit neuen Strategien mental verbin-den� In der zweiten Sitzung berichtet die Ratsuchende, dass sie Deutsch und Englisch für das Notieren von Ideen genutzt habe� Die Beraterin fragt nach, inwiefern ihr eine Graphikbeschreibung (Gegenstand der Textproduktionsaufgabe (TP) auf Kantonesisch leicht oder schwer fallen würde, was RS1 als leicht einstuft� Daraufhin schlägt die Beraterin vor, für das Notieren von Ideen die drei verfügbaren Sprachen vermischt einzusetzen, wenn es RS1 beim Sammeln von Textideen hilft� In der dritten Sitzung erwähnt RS1 kurz, dass sie nun dreisprachig Ideen, teilweise in Form eines Codemeshings, in ihrer Phase des mehrsprachigen Planens gesammelt habe� Intensiver gehen weder Ratsuchende noch Beraterin in dieser Sitzung auf diese Arbeitsweise ein� In der abschließenden vierten Beratungssitzung greift RS1 das mehrsprachige Notieren von Ideen zur Planung ihres Textes in Verbindung zu ihrer Zeiteinteilung wieder auf, um zu verdeutlichen, dass sie diese Strategie schätzt, weil es sie dabei unterstützt, in relativ kurzer Zeit einen Schreibplan zu entwerfen� In der Schreibdidaktik wird das mehrsprachige Planen und Verfassen von Hilfstexten (Knorr et al� 2015) als Entlastungsstrategie vorgeschlagen, um komplexe Schreibprozesse zu entzerren, die Schreibende u�U� überfordern, da durch die Konzentration auf die Zielsprache Ideen für Schreibprojekte verloren gehen oder nicht angemessen ausgedrückt werden können� Für das mehrsprachige Notieren von Ideen kann in diesem Beispiel der Übernahmeprozess einer Planungs-und Entlastungsstrategie der Ratsuchenden nachgezeichnet werden� Die Studienanwärterin probiert diese Strategie in ihren Übungsphasen aus, erweitert sie schrittweise von zwei auf drei Sprachen, schätzt den Nutzen dieser Strategie für das eigene Schreiben einer DSH-Textproduktion ein und kommt zu dem Schluss, dass diese Arbeitsweise für sie nützlich ist, um ihre Ideen effektiver für einen Schreibplan zu entwickeln� Damit erweitert sie schrittweise ihr Handlungsrepertoire um den Einsatz mehrsprachiger Schreibstrategien� Sie ist fähig, ihre verfügbaren Sprachen für das Erdenken und das erste Verfassen von Schreibideen einzusetzen und dabei nicht auf sprachliche Grenzen zu achten, sondern sich auf die Inhalte zu konzentrieren� 7. Schlussfolgerungen Die Analyseergebnisse verdeutlichen, dass Sprachlernberatungen für Studienanwärter:innen mit Fluchterfahrung als fakultatives Begleitprogramm zu einem Sprachkurs vielfältige Möglichkeiten zur Erweiterung eigener Handlungsrepertoires für Lern-und Arbeitsprozesse bieten� Diese sind für Ratsuchende insofern besonders wertvoll, da sie beim Fremdsprachenlernen bewusster und eigenverantwortlicher zu handeln lernen� Am Beispiel einer Sprachlernberatung im Umfang von vier Sitzungen konnte anhand eines Netzdiagramms gezeigt werden, wie die Ratsuchende ihre Schreibstrategien erweitert, indem sie bereits praktizierte Strategien mit weiteren verknüpft und damit ihre Lernpotenz...…”