Psalm 81. Neujahrs- und Laubhüttenfest mit Exodus

Abstract

Der nur siebzehn Verse umfassende Ps 81 enthält für die moderne Auslegung auf exemplarische Weise eine Reihe von Problemen bereit, welche die Entstehung des Textes und seine inhaltliche Deutung betreffen. Die vorliegende Texteinheit wird entweder als Ergebnis einer zufälligen Agglomeration von Teilen unterschiedlichster Herkunft, als Widerspiegelung eines einheitlichen, lebendigen liturgischen Geschehens mit wechselnden Akteuren oder als Produkt von Umstellungen, Bearbeitung und Glossierung verstanden. Die Interpreten machen sich zwar im einzelnen all die Möglichkeiten zunutze, die einem Vertreter der historischkritischen Bibelwissenschaft auf philologischem und literarischem Gebiet zur Verfugung stehen, aber die erreichten Ergebnisse weichen so sehr von einander ab, daß die Psalmenauslegung seit S. Mowinckel und H. Gunkel im Hinblick auf Ps 81 einem von außen auf die Bibelwissenschaft blickenden Betrachter geradezu als ein Spiel von mutwilligen Dilettanten auf dem Gebiet der Literatur, der Geschichte und des Kultes im vor-oder nachexilischen Israel erscheinen könnte. 1. Aspekte der Forschungsgeschichte Die Bestimmung des Verhältnisses der einzelnen Teile von Ps 81 zu einander, zu Kult und Geschichte steht im Zentrum der neueren Psalmenauslegung seit S. Mowinckel und H. Gunkel. Dabei gehen die Interpreten von widersprüchlichen Auffassungen über die Rolle des Kults und den Verlauf der Religions-und Literaturgeschichte Israels aus, die sie letztlich mit Einzelentscheidungen in poetologischen Fragen begründen. Wir können uns so auf die Beobachtung berufen, daß Vorurteile bezüglich poetologischer und kolometrischer Probleme in der Auslegung von Ps 81 von ausschlaggebender Bedeutung für die historische Rekonstruktion der Textentwicklung und die inhaltliche Auslegung sind, daß in diesem Fall tatsächlich die Form über den Inhalt entscheidet Lebendigkeit und Verlegenheit neuerer Psalmenauslegung werden allein schon daraus ersichtlich, daß z.B. H. Gunkel das Lied in achtzehn Bikola gliedert 2 , K. Seybold aber in dreizehn Bikola 1 Erstveröffentlichung in "Mythos im Alten Testament und seiner Umwelt Festschrift fur Hans-Peter Müller zum 65. Geburtstag". BZAW 278.1999,127-143. 2 H. Gunkel 1926,355-356. Brought to you by | Nanyang Technological University Authenticated Download Date | 6/10/15 2:56 PM Psalmen und drei Tnkola. 3 Man mag diese formalen Unterschiede zwar als belanglose Spielereien mit nebensächlichen poetologischen Kleinigkeiten abtun, aber es wird noch zu zeigen sein, daß auch im Falle von Ps 81 Anschauungen über Ausdrucksformen der hebräischen Poesie der philologischen, historischen und theologischen Aufarbeitung nicht nur die Richtung weisen, sondern auch Grenzen setzen. Nach H. Gunkel besteht das Lied aus einem kurzen Hymnus, der offenbar zur Feier eines bestimmten Festes gehöre (V. 2-6b) und aus einer Gottesrede, die nach Form und Inhalt prophetische Redeweise nachahme (V. 6c-17). Es handle sich nicht um zwei ursprünglich selbständige, nur zufällig zusammengestellte Psalmenstücke, sondern um eine Liturgie. ...