ZusammenfassungIn forensisch-psychiatrischen Kliniken werden auch Menschen gemäß § 63
Strafgesetzbuch behandelt, die auf der Grundlage einer Intelligenzminderung
straffällig geworden sind. Diese Patient*innengruppe weist überdurchschnittlich
lange Verweildauern auf und aus der Praxis werden spezifische Schwierigkeiten in
der Versorgung und der Überleitung in nachsorgende Systeme berichtet. Die
vorliegende Studie basiert auf einer inhaltsanalytischen Auswertung von zehn
strukturierten Interviews mit Behandler*innen unterschiedlicher Professionen,
die mit der Versorgung dieser Patient*innengruppe in der forensischen
Psychiatrie vertraut sind. Damit sollten Behandlungserfahrungen und
Herausforderungen der stationär-forensischen Versorgung dieser Gruppe sowie
Veränderungsbedarfe und Verbesserungsvorschläge erhoben werden. Die Befragten
bestätigten die aus anderen Studien bekannten spezifischen Behandlungsbedarfe
und personen- und diagnosebezogener Herausforderungen, die als ursächlich für
lange Verweildauern und Entlassprobleme eingeschätzt wurden. Es wurden auch
zahlreiche strukturelle und systemische Hürden benannt, die einer möglichst
kurzzeitigen forensisch-stationären Versorgung und einer nahtlosen Überleitung
ins nicht-forensische Nachsorgesystem im Wege stehen. Dazu zählen auf der
strukturellen Ebene der Bedarf an personellen Ressourcen (quantitativ wie
qualitativ) und adaptierten Behandlungskonzepte. Professionelle Nachsorge wurde
bei dieser Patient*innengruppe als sehr wichtig eingeschätzt. Diesbezüglich
wurden die Nicht-Verfügbarkeit geeigneter Institutionen, lange Wartelisten und
Vorbehalte seitens dieser Einrichtungen gegenüber ehemals forensischen
Patient*innen problematisiert. Dass sich Patient*innen mit Intelligenzminderung
gegenüber anderen Patient*innen schlechter durchsetzen könnten und dadurch oft
weniger Aufmerksamkeit von den Behandler*innen erhielten, kann als systemische
Hürde bezeichnet werden. Dies gilt auch für die (zu) hohen Anforderungen, die
das forensische System mit seinem Ziel einer „Besserung“ durch Behandlung auch
an Menschen mit Intelligenzminderung stelle. Die in der Studie ermittelten
Befunde können genutzt werden, um auf systemischer und struktureller Ebene zu
einer Verbesserung der forensisch-stationären Versorgungssituation von Menschen
mit Intelligenzminderung beizutragen.