Übersicht: Aufbauend auf der Annahme einer bipolar strukturierten Ordnung des Sexuellen geht dieser Artikel der Frage nach, inwiefern bisexuell lebende Menschen diese Ordnung kreativ unterwandern und welche Verschiebungen oder Stabilisierungen der Ordnung dadurch provoziert werden. Die Beantwortung dieser Frage erfolgt durch die Rekonstruktion dreier Biografien bisexuell lebender Menschen, da es hierdurch möglich wird nachzuvollziehen, wie diese ihre Bisexualität -als Begehren, Praxis und/oder sexuelle Selbstbeschreibung -im biografischen Prozess ihrer sexuellen Selbstwerdung unter den Bedingungen einer bipolar strukturierten sexuellen Ordnung verarbeiten. Dabei zeigt sich, dass Bisexualität in allen Fällen als erweiterte Natur des Körpers biografisiert wird. Als solche wird sie zur Herausforderung oder Chance, neben der Beibehaltung einer heterosexuellen normativen (Beziehungs-)Struktur eine Sonderzone für gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte zu etablieren. Somit stellt die bipolare sexuelle Ordnung die Basis einer bisexuellen Positionierung dar, wodurch sie einen gewissen Grad an Stabilisierung erfährt. Gleichzeitig erweist sie sich als nicht ausreichend und wird durch die doxische Gewissheit einer bisexuellen Natur erweitert.Schlüsselwörter: Biografieforschung; Bisexualität; Sexualsoziologie; sexuelle Identität; sexuelle Selbstwerdung Menschen entweder als homo-oder heterosexuell einzuordnen ist -auch in den Sozialwissenschaften -eine gängige Praxis. Zunächst erwarten wir, dass der oder die Andere heterosexuell ist. Wir unterstellen -sei es in der Kindererziehung, am Bankschalter, in der Prostitution oder in der Forschungspraxis (McDowell 1995;Hubbard 2000) -, dass der oder die Andere vom jeweils anderen Geschlecht sexuell angezogen wird. Erst wenn sich der Normalitäts-verdacht nicht eindeutig bewahrheitet, nehmen wir an, dass der Mensch wohl homosexuell ist. Diese Annahmen scheinen sich auszuschließen: man ist entweder das Eine oder das Andere.