ZusammenfassungAnhand von 34 leitfadengestützten Interviews mit heterosexuellen Paaren aus Deutschland, die kurz vor ihrer Eheschließung stehen, untersuchen wir die Rolle des Kinderwunsches bei der Heiratsentscheidung. Damit präzisieren und erweitern wir die bisherigen familiensoziologischen Annahmen zum Zusammenhang von Familiengründung und Heirat. Während die These der kindorientierten Eheschließung den Kinderwunsch im Sinne einer Statuspassage als das Hauptmotiv zur Eheschließung betrachtet, versteht die These der Entkopplung von Familiengründung und Eheschließung den Kinderwunsch – mit Blick auf Eheschließungs- und Geburtsstatistiken, Änderungen im Ehe- und Sorgerecht sowie den gesellschaftlichen Wertewandel – nur noch als ein Heiratsmotiv unter vielen. Unsere Ergebnisse zeigen zunächst, dass der Kinderwunsch weiterhin für die Heiratsentscheidung vieler der von uns befragten Paare relevant ist. Dabei beziehen sich Paare bei ihrer Entscheidung für die Ehe in unterschiedlicher Weise auf Kinder. Wir differenzieren bei der Eheschließung übergeordnet zwischen der Kindorientierung als Statuspassage und dem familienorientierten Bezug auf Kinder und zeigen unterschiedliche Ausprägungen dieser beiden Formen auf. Deutlich wird zudem, wie sich der vormals direkte Zwang, die Elternschaft mit der Eheschließung zu verknüpfen, durch internalisierte Selbstverständlichkeiten und weiterhin bestehende Privilegien der Ehe teils zu einem indirekten Druck gewandelt hat.