Genetik der Alzheimer-Krankheit
Entschlüsselung von pathologisch veränderten zellulären SystemnetzwerkenZahlreiche neurodegenerative Erkrankungen, so auch die Alzheimer-Erkrankung ("Alzheimer's disease", AD), sind von multifaktorieller Natur. Neben exogenen, umwelt-und lebensstilbedingten Faktoren nehmen insbesondere genetische und epigenetische Faktoren Einfluss auf die Pathogenese der AD [62]. Seit über 30 Jahren trägt die Genforschung bereits systematisch dazu bei, die genetische Architektur der AD besser zu verstehen. Das Vorhaben der Wissenschaftler ist es, die der AD zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen durch die Erforschung der genetischen Ursachen zu entschlüsseln.
Formen der AlzheimerKrankheitIn den 1990er-Jahren konnten die für die monogenen, familiären, frühmani-festen Formen der AD ("early-onset" AD [EOAD], Ersterkrankungsalter < 65 Jahre, Prävalenz 1-5 %) verantwortlichen Gene auf den Chromosomen 21q21.2 [59], 14q24.3 [61] und 1q42.13 [37] identifiziert werden. Diese kodieren jeweils für das Amyloid-Vorläuferprotein ("amyloid-β precursor protein", APP), Presenilin 1 (PSEN1) und dessen Homolog Presenilin 2 (PSEN2). Obgleich hochpenetrante Mutationen in den o. g. Genen äußerst selten sind (5-10 % der EOAD-Fälle) [5], gewährte die funktionelle Charakterisierung dieser aufschlussreiche Einblicke in die molekularen Pathomechanismen, insbesondere der β-Amyloidogenese, und erweiterte gleichermaßen das Verständnis für die wesentlich häufiger auftretende, oft sporadische, spätmanifeste Form der AD ("late-onset" AD [LOAD], Ersterkrankungsalter > 65 Jahre, Prävalenz > 95 %).
Bedeutung der Genetik bei der LOAD
Mikroglia vermittelte Immunantwort bei der LOADWichtige Erkenntnisse aus GWAS und Sequenzierstudien suggerieren, dass Mikroglia, die residenten Immunzellen des ZNS, eine entscheidende Rolle bei der Pathogenese der AD spielen. Eine beachtliche Anzahl der in genetischen Studien identifizierten Risikogene weisen immunsystembezogene Funktionen auf: CR1 ("complement receptor type 1"), CLU ("clusterin") [18, 33], SPI1 ("spi-1 protooncogene"), CD33 ("cluster of differentiation 33"), MS4A6A/MS4A6E ("membrane spanning 4-domains A6A/A6E"), ABCA7 ("ATP-binding cassette sub-family A member 7"), EPHA1 ("ephrin receptor A1"), CD2AP ("CD2-associated protein") [21, 44]
CR1CR1 auf Chromosom 1q32 kodiert für den Komplementrezeptor 1, welcher die Faktoren C3b und C4b bindet und an der Regulation der Komplementaktivierung beteiligt ist [20]. CR1 zog insbesondere die Aufmerksamkeit von Alzheimer-Forschern auf sich, als Genvarianten im CR1-Locus identifiziert wurden, die mit einem erhöhten Risiko für die LOAD assoziiert sind. Der SNP rs6656401 zeigte dabei eine prominente Assoziation ("odds ratio", OR = 1,21; p = 3,7 × 10 -9 ) [33]. Weitere SNPs im CR1-Locus, die mit dem LOAD-Risiko in Verbindung gebracht werden, sind rs1408077 (OR = 1,17; p = 8,3 × 10 -6 ), rs6701713 (OR = 1,17; p = 8,7 × 10 -6 ) und rs3818361 (OR = 1,17; p = 9,2 × 10 -6 ) [18]. Es ist wichtig zu erwähnen, dass es sich bei den o. g. SNPs n...