ZUSAMMENFASSUNG
Gegenstand und Ziel Im Artikel werden Lücken und Herausforderungen der Kostenfolgenschätzung zu Kindeswohlgefährdung im SGB VIII und im Gesundheitssektor (SGB V) beschrieben, die für den Gesundheitssektor anhand von Berechnungen zu Daten gesetzlicher Krankenversicherungen illustriert werden.
Material und Methoden Die Berechnungen basieren auf Abrechnungsdaten gesetzlicher Krankenversicherungen aus den Jahren 2010–2021 mit den ICD-10-Diagnosecodes T74.x, Y05, Y06.x, Y07.X, Z61, Z61.2, Z61.4, Z61.5, Z61.6, Z61.7 (ICD-10-GM), die Ereignisse im Kontext von Kindesmisshandlung betreffen.
Ergebnisse Die Berechnung der Ein-Jahres-Prävalenz für Kindesmisshandlung zeigt einen Anstieg seit 2010, der für 2021 in 30038 auf die Bundesbevölkerung hoch gerechneten Fällen gipfelt, woraus sich als Annäherung Kosten 2021 im Umfang von rund 11 Mio. Euro ergeben. Im stationären Bereich jedoch wurde je erfasstem Jahr entweder kein oder höchstens ein Fall von Kindesmisshandlung dokumentiert.
Schlussfolgerungen Bevölkerungsstudien weisen auf Prävalenzwerte durch Kindesmisshandlung in Deutschland im 2-stelligen Prozentbereich hin. Die Kosten von Kindesmisshandlung in Deutschland im Gesundheitssektor werden entsprechend durch mangelnde Erfassung – nicht nur im stationären Bereich – massiv unterschätzt; für den Kontext Kindes- und Jugendhilfe sind aufgrund fehlender Daten validen Berechnungen von Kostenfolgen nicht mal möglich.
Klinische Relevanz Eine Verbesserung oder teils auch Schaffung der strukturellen Grundlagen zur Datenerfassung von Kostenfolgen von Kindesmisshandlung ist dringend notwendig. Schulungen können die Sensibilität von Fachpersonen im Gesundheitssektor für die Wichtigkeit der Dokumentation von Daten zur Kindesmisshandlung sowie deren standardisierte Erfassung steigern.