Das Ligandendesign gewinnt auf dem Gebiet der chemischen Synthese immer mehr an Bedeutung, denn mit Hilfe von speziellen Liganden lassen sich die Eigenschaften von Komplexen in vielfältiger Weise beeinflussen. Liganden mit verschiedenen Funktionalitäten, z. B. solche mit harten und weichen Donoren, werden oft als Hybridliganden bezeichnet und zunehmend in der Molekülchemie verwendet. Zwar ist schon lange bekannt, dass die elektronischen und sterischen Eigenschaften der Koordinationssphäre eines Komplexes sehr eng mit dessen chemischen und physikalischen Eigenschaften zusammenhängen, doch ist eine Voraussage des Verhaltens von Liganden schwierig, nicht nur wegen der bei diesen Veränderungen auftretenden geringen Energiedifferenzen, sondern auch wegen der beträchtlichen Diversität innerhalb des Periodensystems – ein bestimmter Ligand kann sich gegenüber verschiedenen Metallen ganz unterschiedlich verhalten, und der Austausch eines Liganden gegen einen anderen in einem gegebenen Metallkomplex kann dessen Chemie vollkommen verändern. Neue Systeme könnten, auch rein zufällig, zu nützlichen, allgemein gültigen Konzepten führen, mit deren Hilfe Molekülstrukturen mit bestimmten Eigenschaften maßgeschneidert werden können. Einige Eigenschaften von zahlreichen Metallkomplexen mit Hybridliganden lassen sich mit der „Hemilabilität“ dieser Liganden erklären – einem sehr nützlichen Konzept, um die Eigenschaften der Metallkomplexe zu deuten und um neue Systeme für die molekulare Aktivierung und die homogene Katalyse sowie funktionelle Materialien und Sensoren für niedermolekulare Verbindungen zu entwerfen. In der homogenen enantioselektiven Katalyse wird in einem metallvermittelten Prozess durch sterische und/oder elektronische Kontrolle ein Stereoisomer bevorzugt gebildet. Die Verwendung von Liganden mit einem oder mehreren chiralen Oxazolinresten in diesen metallkatalysierten Reaktionen führte in vielen Fällen zu guten Ergebnissen. Die Einführung von Oxazolinresten in multifunktionelle Liganden erhöht deren Komplexität und die Wahrscheinlichkeit, dass hemilabile Eigenschaften auftreten, die bis vor kurzem in der Oxazolinchemie noch nicht beobachtet worden sind. In diesem Übersichtsartikel werden wir zunächst kurz auf die Definitionen und die Anwendungsmöglichkeiten hemilabiler Liganden eingehen, dann die Hauptklassen der Liganden mit einem oder mehreren Oxazolinresten vorstellen, wobei der Schwerpunkt auf den Hybridliganden liegt, und abschließend erläutern, warum die Kombination dieser beiden Aspekte des Ligandendesigns besonders viel versprechend erscheint.