ZusammenfassungDieser Artikel zeigt zunächst allgemein, welche Relevanz das identitätspolitisch aufgeladene Thema Gender in jüngster Zeit in der deutschen Politik gewonnen hat, sowie konkret, wie das Thema der sprachlichen Sichtbarmachung sämtlicher Geschlechter im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 insbesondere von der AfD aktiv genutzt wurde, indem sie es als „Kulturkampf“ gegen eine fehlgeleitete Ideologie präsentierte. Die Hauptanalyse fokussiert auf die Akzeptanz des Gendersterns. Mehr als 10.000 Befragte eines Online-Surveys konnten, bevor die eigentliche Umfrage startete, auswählen, ob sie den Fragebogen mit Genderstern oder mit generischem Maskulinum präsentiert bekommen wollen. Diese Form der vergleichsweise unbewussten Abfrage der interessierenden Eigenschaft minimiert die Gefahr von Priming-Effekten und sozialer Erwünschtheit. Insgesamt wählten etwa 21 % der Befragten die geschlechtergerechte Version, 75 % die mit generischem Maskulinum (4 % trafen keine Auswahl). Die statistische Analyse zeigt, dass die Bereitschaft, die Variante mit Genderstern zu lesen, eng mit politischen Einstellungsmustern zusammenhängt: Personen, die generell eher staatlichen Eingriffen zustimmen, wählen diese häufiger, genauso wie eher linke und eher ökologisch-alternativ ausgerichtete Menschen. Diese Effekte überlagern auch größtenteils die Unterschiede in Bezug auf die Wahlabsicht. So lässt sich nach Kontrolle auf diese grundlegenden politischen Einstellungen beispielsweise kein Unterschied mehr zwischen Personen mit CDU- und AfD-Wahlabsicht feststellen. Ebenfalls eine höhere Wahrscheinlichkeit die Gendersternvariante zu wählen, haben Frauen, jüngere, höher gebildete und wohlhabendere Befragte sowie Personen aus Großstädten. Die politischen Einstellungseffekte sind allerdings stärker als diese Kontrollfaktoren. Das spricht dafür, dass das Thema Gendern tief liegende identitätspolitische Einstellungsmuster aktiviert und es damit auch in Zukunft ein großes politisches Konfliktpotenzial besitzen wird.