Kaum etwas hat Jean Pauls Schreiben so nachhaltig inspiriert wie die Bibel. Bezüge auf das Buch der Bücher, die verschiedenen Traditionslinien seiner Auslegung und die Rezeption in der Kulturgeschichte haben in der ästhetischen Reflexion und im Erzählwerk Jean Pauls vielfältige und überraschende Spuren hinterlassen. Die Studie geht diesen Bezügen in seinem Gesamtwerk detailliert nach und berücksichtigt dabei sowohl ihren bibelgebrauchs- und diskursgeschichtlichen Kontext als auch zeitgenössische Debatten. Unter Zuhilfenahme bislang unbeachteter Exzerpte und Briefe wird nachgewiesen, wie eng Jean Paul mit der zeitgenössischen Bibelforschung vertraut war und wie sehr er sich von ihr faszinieren ließ. Die Textanalysen konzentrieren sich auf Jean Pauls biblisch fundierte poetologische Metaphorik (u.a. "Vorschule der Ästhetik"), auf die Eigenheiten seines poetischen Sprachstils, die durch Lutherbibel, aber auch Mystik und Pietismus vermittelt sind ("Hesperus") sowie auf die Parallelen ausgewählter bibelkritischer und Jean Pauls eigener poetologischer Konzepte ("Leben Fibels"). Dabei erweist sich, dass der Dichter nicht nur biblische Bilder, Stilregister und Textmuster für sein Werk fruchtbar macht, sondern zudem Autor- und Textproduktionsmodelle aus der Bibelphilologie aufgreift, insbesondere um sein Selbstverständnis als Autor und seine Erzählmodelle zu entwickeln. Sein ambivalent-provokatives Schreiben wirft auch neues Licht auf das komplexe Problem der ‚Säkularisierung‘ um 1800.