Zusammenfassung
Dem 50. StÄG, das im Jahr 2016 den Grundsatz „Nein heißt Nein“ im deutschen Sexualstrafrecht verankerte, war eine erregte Debatte vorausgegangen. Befürworter/innen der Reform skandalisierten Lücken im strafrechtlichen Schutz des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung. Gegner/innen der Reform markierten dies als moralpanische Empörung bzw. moralisierende Skandalisierung und gingen davon aus, dass eine Reform das Strafrecht moralisierend in den Bereich intimer Lebensgestaltung hinein verlängern würde. Tatsächlich dürfte die immense öffentliche Empörung, die auf die Ereignisse in der Silvesternacht von Köln 2015/2016 folgte, zum Zustandekommen der Reform beigetragen haben. Im Beitrag wird das Verhältnis von Recht und Moralpolitik, Recht und Moralpanik sowie Recht und Moral am Beispiel der Reform des Sexualstrafrechts untersucht. Es wird verdeutlicht, dass diese Analyseebenen voneinander getrennt werden müssen, dass insbesondere ein Einordnen des Rechtssetzungsprozesses als moralpolitisch und der Debatten um eine Reform des Sexualstrafrechts als moralpanisch wenig zur inhaltlichen Bewertung des 50. StÄG beitragen. Ob dieses inhaltlich als unzulässig moralisierendes Recht bewertet werden muss, wird abschließend untersucht und verneint. Es wird zudem herausgearbeitet, dass dem erbitterten Streit um die Verankerung des Grundsatzes „Nein heißt Nein“ im Sexualstrafrecht ein grundlegender Dissens tief verankerter Überzeugungen zum Vorliegen und zum Herstellen von Einverständlichkeit in unserer sexuellen Kultur zugrunde liegen dürfte.