Zusammenfassung
Aktiengesellschaften sind gegenwärtig mit multiplen Erwartungen und Diskursen konfrontiert und müssen diese bearbeiten. So werden im Sinne der Finanzialisierung nicht nur die Rationalitäten und Erwartungen der Kapitalgeber für Entscheidungen von Unternehmen bedeutsamer. Fast gleichzeitig formieren und verfestigen sich im Zuge wandelnder regulatorischer Bedingungen sowie der Problematisierung globaler ökologischer und sozialer Folgen und Schäden von Wirtschaftswachstum auch die Erwartungen der Übernahme von Verantwortung und einer Verpflichtung auf Nachhaltigkeit. Die durch solche multiplen Erwartungen erzeugte Pluralität und mitunter Inkomplementaritäten müssen Aktiengesellschaften bearbeiten, um Entscheidungsfähigkeit und Legitimität zu sichern. Nachhaltigkeit wird in diesem Sinne als polykontexturale organisationale Praxis verstanden. In der typisierenden empirischen Analyse werden drei zentrale Praktiken herausgearbeitet, die auf die Multifunktionalität und Irreduzibilität ökonomischer Praktiken hinweisen. Erstens wird die Zentralität finanzialisierender Translationen von Nachhaltigkeit aufgezeigt, aber auch deren spezifische Funktionen und Grenzen. Zweitens verweist die Praxis der Vermarktlichung wiederum auf die mit Nachhaltigkeit einhergehenden Probleme und Spannungen auf globalen Produktmärkten. Drittens verlagert die Praxis der Responsibilisierung und Personalisierung Probleme der Inkommensurablität auf Abteilungen und Personen. Der Artikel schließt mit Reflektionen über die soziologische Erforschung ökonomischer Praktiken sowie über die Möglichkeit der Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft.