Die Schwingungsspektroskopie ist eine weit verbreitete Technik zur chemischen Charakterisierung in verschiedenen analytischen Disziplinen. Ihre Anwendungen erstrecken sich zunehmend auf die Analyse komplexer Proben wie Bioflüssigkeiten und ermöglichen molekulares Profiling mit hohem Durchsatz. Trotz ihrer Leistungsfähigkeit leidet diese Technologie unter einer inhärenten Einschränkung: Der Überlapp von Absorptionsinformationen über verschiedene Spektralbereiche hinweg behindert die Fähigkeit, einzelne Substanzen zu identifizieren, welche zu den gemessenen Gesamtsignal beitragen. Obwohl man sich dieser Herausforderung bewusst ist, wird die Schwierigkeit der Analyse von Multimolekülspektren oft unterschätzt, was zu Fehlinterpretation führen kann. In dieser Arbeit diskutieren wir kritisch den weit verbreiteten übermäßigen Verlass auf einzelne Absorptionsbanden bei der Dateninterpretation und beleuchten die Fallstricke bei der Korrelation von spektral Signalen mit diskreten Substanzen oder physiologischen Zuständen ohne rigorose Validierung. Mit Fokus auf blutbasierte Infrarotspektroskopie liefern wir Beispiele, die zeigen, wie Überlappungen lokaler Absorptionsmaxima zwischen verschiedenen Substanzen, relative Konzentrationen von Substanzen und Datenvorverarbeitungsschritte zu fehlerhaften Interpretationen führen können. Wir plädieren für einen Paradigmenwechsel hin zu einem vorsichtigeren Verständnis komplexer Spektren, was dazu führen sollte, entweder deren Charakter als molekularen Fingerabdruck zu akzeptieren und maschinelles Lernen zur Analyse zu nutzen – oder zusätzliche Messmodalitäten für eine robuste molekulare Interpretationen einzubeziehen. Mit dem Ziel, analytische Praktiken in diesem Bereich zu verbessern und weiterzuentwickeln, heben wir die Grenzen molekularer Interpretationen hervor und stellen mögliche Anwendungen vor.