Ohne Zweifel ist Gerhard Schulze mit seinem Werk ein großer Wurf gelungen. Daß ein wissenschaftliches Buch und noch dazu ein soziologisches ein Bestseller wird, erlebt man nicht gerade häufig. Auch ein hoher Ladenpreis und der möglicherweise beängstigende, zumindest aber unübliche Umfang haben den Erfolg des Buches nicht verhindert. Im Gegenteil scheint gerade dieser Umfang mit ein Grund für den ungewöhnlichen Erfolg zu sein. Schulze nimmt sich viel Zeit, um seine Thesen detailliert und kenntnisreich zu entwickeln und darzustellen. Dabei ist Schulzes Stil keineswegs akademisch-trocken. Er geizt nicht mit Metaphern, illustriert seine Überlegungen mit anschaulichen Beispielen und scheut sich auch nicht, provokante Formulierungen zu verwenden, unkonventionelle Deutungen und unorthodoxe Vorgehensweisen anzubieten. Gleichwohl tritt ein klarer Gedankengang in Erscheinung.Der zentrale Begriff ist "Erlebnisrationalität". Schulze überwindet mit ihm die Reifikation des Kategorienschemas expressiv-instrumentell, wie sie im Anschluß an die Taxonomien von Max Weber und Talcott Parsons um sich griff: Rationales Handeln bezieht sich nicht notwendig auf die Bewältigung ,äußerer' Lebenslagen, sondern auch auf die Herstellung innerer Zustände. Affekte sind, so könnte man anthropologisch formulieren, nicht nur etwas, was man hat, sondern auch etwas, was man sucht. Schulzes Behauptung ist nun, daß sich diese Orientierung menschlichen Handelns in den letzten vierzig Jahren dramatisch verstärkt habe und sogar geeignet sei, die Gegenwartsgesellschaft zu charakterisieren. Damit verbindet sich in der öffentlichen Diskussion die Frage, ob nicht "durch die volle Entfaltung des Erlebnismarktes Individualisierung in ein finales Stadium" eintrete und damit "die letzten Reste von Gruppenerfahrung und Solidarität" entschwinden. Oder aber werden hier nicht neue Zugehörigkeiten und vielleicht auch Solidaritäten stimuliert (17f.)?Schulzes Anspruch ist hoch. "Beim Versuch, diese soziologischen Unentschiedenheiten zu klären, können die Klassiker, seien sie alt oder modern, nur begrenzt helfen" (20) -(über den theoretischen Zusammenhang, in den auch Schulzes Werk einzuordnen ist, informiert immer noch am besten die Zusammenfassung von Lüdtke 1989). Schulze behandelt von diesen ,Klassikern' nur Bourdieu, den er als einengend empfindet, weil er zu sehr einer traditionellen Klassenanalyse verhaftet bleibe. Die deutsche Diskussion, die etwa in den fünfziger Jahren durch Gehlen, in den sechziger Jahren durch Luckmann und Berger bestimmt wurde und bereits zu ganz ähnlichen Ergebnissen kam, bleibt unerwähnt. Gleichwohl ist