Zusammenfassung
Ziel der Studie Internet- und mobilgestützte Interventionen
(IMIs) werden häufig bei Suchtstörungen eingesetzt. Für
die Wirksamkeit von IMIs liegt eine umfangreiche Evidenz vor. Hinsichtlich der
spezifischen ethischen Aspekte, die sich aus dem Einsatz von IMIs bei
Suchtstörungen ergeben, fehlt es bislang an Forschung. Mit unserem
Beitrag leisten wir die erste eingehende ethische Analyse von IMIs in der
Suchttherapie. Dabei orientieren wir uns an normativen Aspekten, die spezifisch
für die Behandlung von Suchtstörungen sind. Dazu gehören
die besondere Stigmatisierung von Suchtkranken, die Zuschreibung von Schuld und
Eigenverantwortung, die mangelnde Akzeptanz des Krankheitskonzepts Sucht sowie
die daraus resultierende Ablehnung und Abwertung von Betroffenen.
Methode Als methodisches Instrument verwenden wir den 3 ACES-Ansatz von
Thornicroft und Tansella. Dieses Instrument erlaubt eine umfassende ethische
Analyse des Einsatzes von IMIs im konkreten Einzelfall sowie der Implementierung
von IMIs im Versorgungssystem.
Ergebnisse Unsere Analyse zeigt, dass IMIs in der Suchttherapie das
Potential haben, ein Empowerment von PatientInnen zu leisten, die
Stigmatisierung zu umgehen und einen niedrigschwelligen Zugang zu
Versorgungsleistungen zu ermöglichen. Kritisch zu sehen sind Aspekte der
Passung von Anwendungen auf die Bedürfnisse einzelner Patientengruppen
und individueller PatientInnen, der therapeutischen Verantwortung, des
Datenschutzes, der Datensicherheit und Privatheit sowie der Vernetzung
unterschiedlicher Anbieter von Versorgungsleistungen.
Schlussfolgerung Eine weitere Implementierung von IMIs in der
Suchttherapie ist nur dann wünschenswert, wenn verbindliche
Qualitätsstandards geschaffen und die patientenzentrierte Anwendung
unter Berücksichtigung individueller Patientencharakteristika
sichergestellt wird.