ZusammenfassungIn Deutschland besteht derzeit eine erhebliche Versorgungslücke bei Adipositas, da es keinen einheitlichen Therapiepfad gibt. Leistungen variieren regional und müssen häufig durch Einzelfallentscheidungen genehmigt werden. Angesichts dieser Problematik wird die Integration digitaler Adipositas-Anwendungen in die bestehende Versorgung diskutiert. Die vorliegende Analyse bietet eine ethische Reflexion über den Einsatz solcher Anwendungen. Sie bewertet deren Eignung für die komplexe chronische Erkrankung Adipositas, die multifaktorielle Ursachen und eine heterogene Betroffenengruppe aufweist. Der Artikel untersucht die sozialen, beratenden und organisatorischen Rahmenbedingungen, die erforderlich sind, um den Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden. Damit sollen erste Impulse für eine ethisch reflektierte Begleitung der medizinischen Implementierung und Evaluation von digitalen Adipositas-Anwendungen entstehen. Wir kontextualisieren erstens Adipositas in der deutschen Gesundheitsversorgung mit einem besonderen Fokus auf die organisatorischen Aspekte digitaler Anwendungen. Zweitens fassen wir den Forschungsstand zu den Bedürfnissen von Patient*innen mit Adipositas zusammen und reflektieren die aktuelle Versorgungslage aus einer normativen Perspektive der Bedürfnisgerechtigkeit. Insbesondere Stigmatisierung und Diskriminierung, Diversität der Patient*innengruppe und ganzheitliche Regelversorgung spielen aus dieser Perspektive eine Rolle. Abschließend diskutieren wir unsere Erkenntnisse im Hinblick auf zukünftige Forschungsdesiderate aus empirisch-ethischer Sicht.