Wie die in diesem Band versammelten Aufsätze zeigen, lässt sich der Krieg in verschiedenster Weise in Worten darstellen.* Schlachtbeschreibungen, historische Analysen, philosophische Spekulationen, Gedichte, Traktate, Lehrbücher über Taktik und Festungsbau -all diese Textsorten und viele mehr konstituieren den Diskurs den Krieges, der sich durch alle Kulturen und Epochen zieht. Meine Betrachtungen gelten in erster Linie poetischen Texten aus dem griechischen und römischen Altertum. Dabei geht es mir weniger um die Frage, wie die Menschen in der Antike über den Krieg gesprochen haben, sondern vielmehr darum, wie das Sprechen über den Krieg sich verhält zum Sprechen über ein auf den ersten Blick nahezu gegensätzliches Thema, nämlich die Liebe. Mein Gegenstand ist sozusagen die Schnittmenge zwischen dem martialischen und dem erotischen Diskurs, der Bereich, in dem die Worte des Krieges und die Worte der Liebe einander ähnlich oder sogar identisch sind.Auf Spekulationen über tieferliegende, etwa psychologische Gründe, weshalb Liebe und Krieg so häufig miteinander assoziiert werden, möchte ich dabei verzichten, wobei es unbestreitbar ist, dass es sich bei beiden um höchst intensive und oft extreme Erfahrungen handelt. Während das Erlebnis der Liebe in irgendeiner Form wohl ohnehin universal ist, kann man zusätzlich davon ausgehen, dass eine Mehrheit der Griechen und Römer jeder Epoche direkt oder indirekt mit dem Krieg in Berührung kamen, und dass es sich daher bei beiden Phänomenen in den Augen der Antike um typische Elemente des menschlichen Lebens handelte. Wie sich im Folgenden zeigen wird, lassen sich die beiden Bereiche jeweils nicht _____________ * Mein besonderer Dank gilt Marco Formisano für die Einladung zur Tagung »War in Words/ Krieg in Worten« und Christine Hehle für ihre sprachliche Beratung. Der mündliche Stil des ursprünglichen Vortrags ist im Folgenden weitgehend bewahrt. Übersetzungen aus dem Lateinischen und Italienischen sind meine eigenen. Die Übersetzungen aus Homer stammen von Wolfgang Schadewaldt, die von Sapphos Gedichten von Max Treu. Brought to you by | Monash University Library Authenticated Download Date | 4/22/17 12:55 PM _____________ 1 Allgemein zur Gattung der römischen Liebeselegie siehe Holzberg (2001). 2 Dass ein so umfassendes Thema im Rahmen eines kurzen Aufsatzes nur oberflächlich behandelt werden kann, versteht sich von selbst. Wie im Folgenden deutlich werden wird, ist mir mehr daran gelegen, einzelne Themen kurz aufscheinen zu lassen, als sie im Detail -oder gar mit Bezugnahme auf die gesamte Forschungsliteratur -aufzuarbeiten. Eine detaillierte wissenschaftliche Diskussion dieses Themas könnte leicht mehrere Bände füllen. Mein Beitrag dagegen will lediglich eine kurze Einführung bieten, gerade auch (im Sinne dieses interdisziplinären Bandes) für Leser außerhalb der klassischen Philologie. 3 »Make love not war« wurde 1963 von dem amerikanischen Folkloristen und Sexualforscher Gershon Legman geprägt (siehe Shapiro [2006], 449) und entwickelte sich zu einem der erfolgreichsten S...