Zusammenfassung
Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist derzeit die Evidenz wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Frage der onkologischen Relevanz neurourologischer Erkrankungen noch gering. Am besten erforscht ist der Zusammenhang zwischen einer langjährigen bestehenden Querschnittlähmung mit ihren Folgen für den unteren Harntrakt und dem Auftreten eines Harnblasenkarzinoms.
Diese Karzinome unterscheiden sich vielfältig von Harnblasenkarzinomen bei Patienten ohne Querschnittlähmung: Die Patienten sind im Durchschnitt 20 Jahre jünger, die Tumoren sind sehr häufig bereits muskelinvasiv und schlecht differenziert mit einem hohen Anteil an Plattenepithelkarzinomen, die Prognose ist schlecht. Diese Charakteristika treten auch bei querschnittgelähmten Patienten ohne Dauerkatheterableitung der Harnblase auf.
Obwohl der pathophysiologische Zusammenhang im Detail noch ungeklärt ist, so scheint doch der entscheidende Link zwischen einer Querschnittlähmung und dem Auftreten eines Harnblasenkarzinoms das Vorliegen einer neurogenen Blase zu sein. Pathologische Druckverhältnisse in der Harnblase und häufige Harnwegsinfekte bzw. asymptomatische Bakteriurien infolge der neurogenen Fehlsteuerung der Harnblase könnten die pathophysiologisch entscheidenden Faktoren darstellen.
Insofern stellt das Harnblasenkarzinom bei chronisch querschnittgelähmten Patienten einen Modelltumor nach einer Denervierung dar.
Die klinisch wichtige Frage eines Screenings erfordert zukünftige interdisziplinäre Forschungsansätze.