Zusammenfassung
Ziel der Studie Maßnahmen zur Entstigmatisierung von
Substanzkonsumstörungen (SKS) sollten möglichst frühzeitig in Ausbildung und
Studium adressiert werden. Bisherige Studien zeigten einen positiven Einfluss
von Berufserfahrungen auf die spätere Arbeitsbereitschaft im Zusammenhang mit
SKS. Diese Studie untersucht, inwieweit stigmatisierende Einstellungen gegenüber
Menschen mit SKS die Berufsinteressen von Studierenden der Psychologie
beeinflussen und welche weiteren Faktoren mit einer Bereitschaft für eine
spätere Tätigkeit im Suchtbereich assoziiert sind. Des Weiteren stellt sich die
Frage, ob und in welchem Maße der eigene Alkoholkonsum stigmatisierende
Einstellungen gegenüber Menschen mit einer Alkoholkonsumstörung (AKS)
beeinflusst.
Methodik Es wurde eine Online-Befragung mit 157 Psychologiestudierenden in
Deutschland durchgeführt. Die Stichprobe umfasst Bachelor- und Masterstudierende
jeglicher Studiengänge, die der Psychologie zugeordnet werden können und wurde
im Schneeballverfahren in sozialen Medien erhoben. Die Rekrutierung dauerte 3
Wochen. In einem von den Autorinnen zusammengestellten Fragebogen wurden
bisherige Berufserfahrung und –Interessen erhoben. Als potenzielle
Einflussfaktoren wurden praktische und private Erfahrungen mit SKS. Der
Alkoholkonsum wurde mit dem AUDIT-C und das Ausmaß stigmatisierender
Einstellungen mit dem OMS-HC erhoben.
Ergebnisse Eigener Alkoholkonsum (AUDIT-C; p=,021) hatte einen positiven,
während das Ausmaß stigmatisierender Einstellungen (OMS-HC; p<,001) einen
negativer Einfluss auf die Bereitschaft zeigte, später im Suchtbereich zu
arbeiten. Der AUDIT-C zeigte sich zudem als signifikanter Prädiktor für die
Stigma-Ausprägung (p<,001). Die Studiendauer, Vorliegen und Dauer praktischer
Erfahrung, Erfahrung mit SKS im engeren Umfeld zeigten keinen signifikanten
Einfluss auf die Bereitschaft. Die Psychologie-Studierenden der vorliegenden
Untersuchung wiesen im Mittel eine höhere Stigma-Ausprägung auf als eine
Vergleichsstichprobe von Psycholog*innen und Medizinstudierenden in der
Literatur zur OMS-HC.
Schlussfolgerung Sowohl der eigene Alkoholkonsum als auch das Ausmaß
stigmatisierender Einstellungen konnten als signifikante Prädiktoren für eine
Tätigkeit in der Versorgung von SKS identifiziert werden. Zudem wurde
festgestellt, dass der Alkoholkonsum der Studierenden ein signifikanter
Prädiktor für die stigmatisierende Einstellungen ist. Maßnahmen zur
Entstigmatisierung sollten frühzeitig adressiert werden, da die Stichprobe
bereits zum Zeitpunkt der Erhebung ein erhöhtes Maß an stigmatisierenden
Einstellungen aufweisen.