Die Progressionsverlangsamung ist ein wichtiges Ziel in der Präventi-on und Behandlung der chronischen Nierenerkrankungen. In den letzten Jahren wurden zahlreiche genetische Faktoren identifiziert, die mit einer progredienten Verschlechterung der Nierenfunktion assoziiert sind -in der Allgemeinbevölkerung und in monogenetischen Nierenerkrankungen wie der autosomaldominanten polyzystischen Nierenerkrankung (ADPKD) und dem Alport-Syndrom. Neue Erkenntnisse der Genetik der Progression können wichtige Einblicke in Krankheitsmechanismen geben und dem Kliniker bei der Risikostratifizierung und bei Therapieentscheidungen behilflich sein.
Definition von NierenfunktionsverlustphänotypenDie Nierenfunktion (glomeruläre Filtrationsrate, GFR) wird mittels einer Bestimmung von Serumkreatinin und/oder Serumcystatin C und einer von internationalen Leitlinien (Kidney Disease: Improving Global Outcomes, KDIGO) empfohlenen Formel geschätzt [1]. Die Messung der GFR ist sehr aufwändig und wird selten praktiziert und bringt bei einer GFR unter 60 ml/min/1,73 m 2 Kör-peroberfläche keinen Vorteil in der Prä-diktion harter Endpunkte im Vergleich mit der geschätzten ("estimated") GFR (eGFR; [2]). Die Präzision der Schätz-formeln gerade im Normalbereich der Nierenfunktion ist relativ ungenau [3]. Das Vorliegen einer chronischen Nierenerkrankung ("chronic kidney disease", CKD) wird definiert als eine eGFR von weniger als 60 ml/min/1,73 m 2 oder als eine anderweitig nachgewiesene chronische Nierenschädigung für mindestens 3 Monate. Letzteres ist das einzig definierende Kriterium bei einer eGFR von 60 ml/min/1,73 m 2 oder mehr und liegt z. B. bei einer erhöhten Albuminurie oder einer bioptisch gesicherten Nierenerkrankung vor. Je nach Höhe der eGFR definiert KDIGO 5 progressive Stadien der CKD. Das CKD-Stadium 5 ist äquiva-lent zum Stadium der terminalen Nierenerkrankung ("end-stage renal disease", ESRD), bei der typischerweise eine Nierenersatztherapie (Dialyse oder Transplantation) erforderlich wird. » Eine Nierenfunktionsverschlechterung wird anhand serieller Bestimmungen der GFR oder der eGFR errechnet Eine Nierenfunktionsverschlechterung wird anhand serieller Bestimmungen der GFR oder der eGFR errechnet, wodurch die Verminderung der Nierenfunktion über die Zeit und damit der Phänotyp des Nierenfunktionsverlusts dargestellt werden können (jährlicher NierenfunktionsverlustproJahrinml/min/1,73 m 2 pro Jahr). Da das Serumkreatinin kurzfristigen Veränderungen ausgesetzt ist, steigt die Präzision dieser Darstellung und damit des Phänotyps mit der Anzahl der Kreatininbestimmungen [4]. Die eGFRVerschlechterung in der mehrheitlich gesunden Allgemeinbevölkerung liegt im Mittel bei etwa 0,5 ml/min/1,73 m 2 pro Jahr [1]. Pathologisch sind Werte über 2-3 ml/min/1,73 m 2 pro Jahr, welche typischerweise bei Diabetikern beobachtet werden [1].Wird eine Verschlechterung der Nierenfunktion nicht aufgehalten, kommt es zu einer CKD und bei weiterer Verschlechterung zu deren Progression, was schlussendlich zu ESRD und hohen Kosten für das Gesundheitswesen füh...