Die bemerkenswerten Antitumor‐Eigenschaften der Anthracyclin‐Antibiotica haben auch die Synthesechemiker auf den Plan gerufen und in den letzten Jahren zu intensiver Aktivität auf diesem Gebiet geführt. Wegen der oft extremen Toxizität wurden der Substanzklasse ursprünglich wenig Chancen eingeräumt. Es gelang aber, teils durch mikrobielle Methoden (neue Stämme, Mutanten), teils durch halbsynthetische Modifikationen, den schmalen Grat zwischen Toxizität und gewünschter Wirkung so zu verbreitern, daß die Anthracycline heute den ersten Platz bei der Behandlung von Krebserkrankungen einnehmen (über 20% Marktanteil). Wie hoch dabei die Anforderungen an moderne Cytostatica sind, zeigt die Tatsache, daß von über 600000 seit 1955 im Tiermodell getesteten Substanzen nur ca. 40 den Weg in die Klinik geschafft haben. Im klinischen Test befinden sich inzwischen auch einige totalsynthetische Anthracycline. Daß die Beschäftigung der Synthesechemie mit dieser Substanzklasse darüber hinaus auch allgemeine Fortschritte bei der Lösung regio‐ und stereochemischer Probleme linear anellierter Ringsysteme gebracht hat, wird diese Übersicht zeigen.