Aus dem Blickwinkel eines Materialwissenschaftlers können Viren als organische Nanopartikel betrachtet werden. Sie bestehen aus einer überschaubaren Anzahl unterschiedlicher Biopolymere: Proteine und Nukleinsäuren. Viele Viren sind zudem von einer Lipidmembran umhüllt. Viren weisen keinen eigenen Metabolismus auf; sie benötigen für ihre Vermehrung die metabolische Maschinerie einer Wirtszelle. Die Oberfläche von Viren ist mit funktionellen Elementen ausgestattet, die es dem Virus ermöglichen, in seine Wirtszelle einzudringen. Form und Größe von Viren, wie auch die Anzahl und Art funktioneller Gruppen an ihrer Oberfläche, sind exakt definiert. Deshalb werden Viren als Gerüststruktur für räumlich definierte kovalente Oberflächenmodifikationen verwendet. Die einzigartige Qualität von Viren als Nanopartikel besteht aber darin, dass ihre Oberfläche, aufgrund der Colokalisation von Geno‐ und Phänotyp, mithilfe kombinatorischer Methoden evolviert werden kann. Die dabei verwendeten molekularbiologischen Methoden, ursprünglich in den Lebenswissenschaften entwickelt, werden zur Basis neuer Techniken für die Bereitstellung von Nanomaterialien und eröffnen neue Anwendungsbereiche weit über Biologie und Medizin hinaus.