ZusammenfassungDie demographische Alterung hat vielfältige gesellschaftliche Konsequenzen, deren Ausmaß wesentlich vom Gesundheitszustand der Bevölkerung abhängt. Um diesen analysieren und bewerten zu können, wurden spezielle Kennziffern entwickelt, die in diesem Beitrag mit dem Überbegriff „gesunde Lebenserwartung“ (GLE) bezeichnet werden. Die Herleitung der GLE ist zwar intuitiv und leicht nachvollziehbar. Allerdings verdeckt eine zu einfache Interpretation die große Komplexität, die der Erweiterung der Sterbetafel um die Gesundheitsdimension innewohnt. Diese macht die GLE im Vergleich zur klassischen Lebenserwartung (LE) extrem empfindlich gegenüber verschiedensten konzeptionellen und methodischen Aspekten. In dem Beitrag wird dies für 3 Aspekte genauer dargestellt: die zugrunde liegende Definition von Gesundheit, die Wahl der Datenquelle als Grundlage für die Schätzung des Gesundheitszustands und das Berichtsverhalten der Survey-Teilnehmer. Dabei zeigt sich, dass die Auswirkung auf die GLE enorm sein kann, was zu erheblichen Verzerrungen bei der Interpretation von Niveaus und Trends, aber auch bei der Analyse von Unterschieden zwischen Bevölkerungen führt. Nichtsdestotrotz ist die Erweiterung der klassischen LE zur GLE eine wichtige Errungenschaft, die nicht aufgegeben werden darf. Deswegen werden in dem Beitrag auch Möglichkeiten diskutiert, wie der GLE-Indikator robuster und zuverlässiger gemacht werden könnte. Bis dies erreicht ist, darf die hohe methodische Sensibilität der GLE aber nicht ignoriert werden, wenn man mit ihr den Gesundheitszustand von Bevölkerungen bewertet und sie als Grundlage für gesundheitspolitische Maßnahmen herangezogen wird.