Der heute vorherrschende Faszinations-Hunger erfreut sich besonders an militärischen und politischen Konflikten. Noch nie wurde so viel, so schnell und so ausführlich über die Probleme, Krisen und Ereignisse dieser Welt berichtet wie in der heutigen Zeit. Wenn bzw. weil üblicherweise diese Momente auch noch eine lange Geschichte haben, so berichten nicht nur die aktuellen Nachrichtensendungen und Gazetten darüber, sondern auch Medien, die sich intensiver mit der Vergangenheit beschäftigen. Dieser Apparat, der durch solche Krisen angestoßen wird, arbeitet auf Hochtouren, sucht immer nach neuen Attraktionen -und so verwundert es, dass sehr wenig über die Mittelmeerinsel Zypern berichtet wird. Zypern ist heute eine zweigeteilte Insel mit einem griechischen Teil im Süden (Republik Zypern) und einem türkischen Teil im Norden (Türkische Republik Nordzypern). Die Hauptstadt Nikosia ist, so wie Berlin es im kalten Krieg war, durch eine Mauer geteilt. Im Hintergrund des seit der türkischen Okkupation 1974 bis heute auf der Insel andauernden Konflikts steht eine Opposition zwischen Griechenland und der Türkei, die letztlich bis in das Mittelalter zurückreicht, als die Reste bzw. lateinischen Nachfolgestaaten des Byzantinischen Reichs und das Osmanische Reich um die Herrschaft über den östlichen Mittelmeerraum kämpften. Ein militärischer Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei wäre heute eine Zerreißprobe für die NATO, denn beide Kontrahenten sind Mitglieder der NATO. Für die Insel sind solchermaßen komplexe Außen-und Innenbeziehungen historisch nicht ungewöhnlich. Aufgrund ihrer strategisch und wirtschaftlich günstigen Lage schickten sich über die Jahrhunderte viele verschiedene Mächte an, sie zu regieren.Dieser Beitrag wird sich mit einem dieser vielen Konflikte beschäftigen. Der Kampf zwischen Charlotte de Lusignan und ihrem Halbruder Jakob war der Gipfel in einer Jahrhunderte andauernden Auseinandersetzung zwischen den Lusignans und den Mamluken. Die Lusignans waren vom 12. bis zum 15. Jahrhundert die katholische Herrscherfamilie auf Zypern und die Mamluken waren muslimische Sklaven, die vom 13. bis zum 16. Jahrhundert ein eigenes Reich von Ägypten bis Syrien beherrschten. Angesichts dieser Konstellation stellt sich die Frage, wieso Jakob in der Mitte des 15. Jahrhunderts eigentlich (ausgerechnet) die Mamluken um Hilfe im Streit gegen seine Schwester bitten konnte. Im Zusammenhang damit wird im DIE KULMINATION ZYPRIOTISCH-MAMLUKISCHER BEZIEHUNGEN | 95 MARE NOSTRUM 2 (2022)